Mittwoch, 21. Mai 2008

Das Ende der Republikanischen Ära

"Ideas have consequences" ist eine bekannte Maxime der US-amerikanischen Konservativen. Mitunter aber will es dem Beobachter scheinen, als hätten sie, die Konservativen, keine neuen Ideen mehr, die zu praktischen Konsequenzen in der Politik führen könnten. Wo steht der amerikanische Konservatismus heute? Falls er sich auf dem Rückzug befindet, was hat zu seinem Niedergang geführt? Sind die Antworten, die der Konservatismus in den USA auf die Herausforderungen der Gegenwart zu bieten hat, in der Vergangenheit gefangen?

Der brillante George Packer hat in einem vielbeachteten Beitrag im New Yorker die Frage gestellt, ob den Konservativen die Ideen ausgegangen seien. Der Aufsatz ist ein absolutes Lesemuß für alle an US-amerikanischer Zeitgeschichte Interessierten. Eine Fülle von Faktoren habe, so Packer, zum politischen Scheitern der Konservativen geführt. Der Konservatismus und die republikanische Partei, so wie sie sich in den letzten Jahren entwickelt haben, stehen vor einem Scherbenhaufen.

Auch ich bin der Meinung, daß die Republikanische Ära, in der wir uns seit dem ersten Wahlsieg von Richard Nixon, also ironischerweise seit 1968 ununterbrochen befinden, sich ihrem Ende nähert.

Die Ist-Situation: Zwölf Jahre hatten die Republikaner die Mehrheit im Kongreß, bis vor nicht allzu langer Zeit stellten sie die Mehrheit der Gouverneure, seit mehr als sieben Jahren sind sie an der Regierung. In dieser Zeit ist die Staatsbürokratie so groß und uferlos geworden, wie noch nie, die Staatsausgaben sind explodiert, militärische Interventionen wurden ohne Vorsicht und sorgfältige Vorbereitung unternommen und durch die Autorisierung von Folter wurden amerikanische Ideale verraten. Die Republikaner haben sich hier also von konservativen Prinzipien weitestgehend verabschiedet. Aber abgesehen davon haben die globalen Veränderungen der letzten Jahre Probleme geschaffen, zu denen die Konservativen einfach keine Ansätze entwickelt haben.

Nach dem Sieg Nixons dauerte es einige Zeit bis die konservative Wende politisch manifest wurde. Watergate versetzte ihr (der beginnenden Wende) einen Rückschlag und führte auch 1976 zum Wahlsieg von Carter. Doch die desaströse Präsidentschaft Carters, das Vietnam-Trauma und die ökonomische Krise der 70er ließen das Land des politischen Liberalismus, der seinen Triumphzug in den 30ern angetreten hatte, in der spießigen Eisenhower-Zeit der 50er seine geistige Stärke entfaltete und gesellschaftlichen Voraussetzungen schuf, und sich schließlich in den 60ern unter Kennedy/Johnson durchsetzte, überdrüssig werden. In der Reagan Revolution 1981 hatte der Konservatismus schließlich den Liberalismus geschlagen, Mondale 1984 und Dukakis 1988 gwaren nicht von ungefähr gänzlich chancenlos und verloren schmählich. Ihre Themen waren der Antikommunismus, niedrige Steuern/schlanker Staat (Reaganomics) und der Traditionalismus, d.h. die Verteidigung traditioneller amerikanischer Werte (Familie, Waffen, Religion). Mit dem Untergang des Warschauer Paktes verlor der Antikommunismus jedoch seine Existenzberechtigung.

1992 sagte man nach dem Sieg der Clintons die konservative Bewegung bereits tot. Wie man jedoch nach dem Erdrutschsieg der Republikaner bei den Kongreßwahlen zwei Jahre später feststellen konnte, behielten die Konservativen die kulturelle Hegemonie für sich. Die "Clinton-Gingrich-Co-Presidency" setzte die republikanische Ära ungehindert fort. Allerdings ließ sich auch bald die Ideenarmut der Konservativen erkennen. Der Präsidentschaftswahlkampf 1996 war zum Einschlafen. Aufgrund der guten ökonomischen Situation und dem Rechtsrutsch des Präsidenten war für die Republikaner das Weiße Haus nicht zu gewinnen. Die Kongreßwahlen gewannen sie weiterhin, aber ihr einzig verbliebenes Steckenpferd war nun, da die Steuern seit den 80ern recht dramatisch gesenkt worden waren und die unter Reagan getätigten Investitionen unter Clinton ihre Wirkung zeigten, der Traditionalismus, der "Culture War".

Mit den Herauorderungen des Islamfaschismus, der die USA 2001 daran erinnerte, daß das "Ende der Geschichte"(Fukuyama) 1990 gewiß nicht gekommen war, waren die Konservativen, die 2000 knapp das Weiße Haus zurückgewonnen hatten, restlos überfordert. Diejenigen, die darin den Erben des Sowjetkommunismus sahen, begriffen das Phänomen nicht, während diejenigen, die mit der religiösen Terminologie des Präsidenten ("das Böse") diesen Totalitarismus einigermaßen richtig erfassten, machten sich unglaubwürdig, war doch der Kommunismus 20Jahre zuvor noch die böseste und gefährlichste Bewegung, der die USA zu begegnen hatten. Die neokonservativen Ideen, die mit dem demokratischen Senator Henry "Scoop" Jackson in den 70ern erstmals einen kurzen Einzug in die Politik erlebten, 1983 in einer Rede von Ronald Reagan kurz aufglitzerten, dann aber wieder in akademische Publikationen verschwanden, veränderten republikanische Außenpolitik seit 2002 gründlich. Doch das war zu spät. Die Irak-Invasion kam zwölf Jahre zu spät und war lediglich Folge eines der Realpolitik alter Schule geschuldeten Kardinalfehlers von 1991. Die katastrophale Rumsfeld-Strategie und das folgende Debakel im Irak diskreditierten schließlich die Neokonservativen.

Während der Staat nie so richtig schlank war und unter den konservativen erst recht expandierte, glauben heute immer weniger Wähler, daß sich ökonomisches Wachstum noch mit den Rezepten der 80er (Steuersenkungen) stimulieren läßt.

Bleibt der Traditionalismus. Aber es ist immer weniger Menschen klarzumachen, daß es bei den dringenden Problemen, mit denen die in der Welt an Einfluß verlierende Supermacht heute konfrontiert ist, noch sinnvoll sei, über "Homo-Ehe" und "Abtreibung" zu debattieren.

Ist Bush also der republikanische Carter und Obama der demokratische Reagan? In dem Sinne wiederholt sich Geschichte wahrscheinlich nicht. Nach der für die Demokraten schlimmen Wahlnacht von 2004 hieß es noch, die Partei müsse sich neu erfinden. Ich kann nicht wirklich erkennen, daß dies bereits geschehen ist. Andererseits stehen die Republikaner definitiv ver der Notwendigkeit grundlegender Veränderungen in programmatischer und struktureller Hinsicht. Geistig steht derweil der Konservatismus vor riesigen Aufgaben. John McCain dürfte durchaus der richtige Mann sein, der den Anfang dazu macht. Doch die Krise dürfte in den kommenden Jahren deutlich zu spüren sein. Bevor vielleicht in ein bis zwei Jahrzehnten wieder die Zeit da sein wird für eine "konservative Wende".

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