Freitag, 31. Oktober 2008

Wenn aber eines Tages..

Stefan Frank in der Juni-Ausgabe 2002 der Zeitschrift konkret:

"Wird es bald auch in den USA Fernsehbilder weinender Bankdirektoren geben,wie
in den neunziger Jahren in Japan? Ein starker Abschwung am Immobilienmarkt wäre besonders peinlich für die beiden größten Baufinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac. Sie waren sehr kulant und haben viel mehr verliehen, als sie besitzen,
schließlich haben sie ja die Häuser als Sicherheit. Wenn aber Häuser eines Tages
total out sind, müssen sie denLaden schließen. Da es um ein paar Billionen
Dollar geht, die in einem solchen Fall verschwinden können, wird sich schnell
große Panik ausbreiten."

Montag, 27. Oktober 2008

Was wird aus der GOP? Teil 2

Die aktuelle Krise der GOP sahen manche schon vor zehn Jahren kommen:

Christopher Caldwell im Juni 1998:

The Republicans' biggest problem is not their ideology but their lack of one. Stigmatized as rightists, behaving like leftists, and ultimately standing for
nothing, they're in the worst of all possible worlds.

(Hervorhebung von mir, Mark P. Haverkamp; via Andrew Sullivan)

Kommentar: Freilich zerfiel die Partei immer schon mit Libertären und Sozialkonservativen, Interventionisten und Isolationisten usw. in gegensätzliche Weltanschauungen vertretende Fraktionen. Aber die Partei als Ganzheit ist heute inhaltlich leer. Das Problem stellt sich von diesem Punkt auch für die Zukunft: Während Einigkeit innerhalb der GOP darüber besteht, daß Reformen und eine Erneuerung der Agenda notwendig sind, besteht alles andere als Einigkeit darüber, wohin die Reise gehen soll.

Samstag, 25. Oktober 2008

Was wird aus der GOP?

Die Republikanische Partei wird am 4. November mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Weiße Haus verlieren, ihre Minderheit im Senat könnte auf 40 Sitze schrumpfen, und im Repräsentantenhaus wird sie aller Voraussicht nach zahlreiche weitere Sitze verlieren.

Zu den gängigen Fehlschlüssen aus diesem unmittelbar drohenden Szenario gehört die Annahme, die Krise der GOP habe ausschließlich ihre Ursache in der historisch niedrigen Popularität des Präsidenten (die Zustimmungsraten bewegen sich zwischen 20 und 25%) und der insgesamt gescheiterten Präsidentschaft. In Wahrheit wird die Partei in der nahen Zukunft mit viel tiefgreifenderen Problemen zu kämpfen haben.

Die offensichtlich von der Merheit der amerikanischen Wähler als verheerend bewertete Bilanz der Bush-Administration ist vielmehr eine Ursache für die Stärke der Demokraten als für die Schwäche der Republikaner. Hätte vor vier Jahren John Kerry, der weder die Basis seiner Partei noch die Medien besonders beeindruckte, im Gegenteil selbst eher unpoplär war, die Präsidentschaftswahlen gewonnen, würde dieser jetzt um seine Wiederwahl kämpfen, und gleichgültig, wer für die GOP kandidierte, gelte die Wahl 2008 als weitaus weniger historisch, würde der Wähler von den Demokraten kaum wirkliche Veränderung erwarten können. Möglicherweise gelänge es dem "maverick" John McCain viel eher, sich als der richtige Adressat für den Ruf nach "Change" zu verkaufen. Auch unter der Annahme eines Wahlsieges von Al Gore vor acht Jahren könnten wir relativ sicher davon ausgehen, daß die Demokraten heute erstens einen anderen Präsidentschaftskandidaten stellen und zweitens prinzipiell geringere Wahlchancen hätten. Das Phänomen Barack Obama und die Begeisterung für ihn sind selbst ein Produkt der Ära Bush.

Widmen wir uns nun der Schwäche der Republikanischen Partei, die nicht nur abhängig ist von der Stärke der Demokraten, für die diese wiederum wenig können. Was sind die Ursachen? Erstens ziehen, wie ich vor fünf Monaten hier bereits geschrieben habe, ihre traditionellen Themen nicht mehr. Die Wahlen der letzten Jahrzehnte wurden grob gesagt mit Antikommunismus, small government und Kulturkampf gewonnen. Der Antikommunismus wurde nach 1990 obsolet. Small Government blieb vermutlich immer schon eher eine Illusion, wurde aber spätestens in den Bush-Cheney-Jahren auch philosophisch durch big government ersetzt. Da die Etablierung des mittlerweile größten Staatsapparates aller Zeiten bei gleichzeitiger Rekordverschuldung allerings nicht nur nach acht Jahren Bush, sondern eben auch nach zwölf Jahren Republikanischer Kongreßmehrheit bis Ende 2006 geschah, dürfte die GOP auch in den kommenden Jahren mit dem Versprechen von small government wenig glaubwürdig sein. Das ist als ein Kernproblem einzustufen. Denn der Glaube, daß "government" so wenig wie möglich für den Bürger erledigen, ihn nicht bevormunden soll, war ein Republikanisches Urprinzip. Die Verletzung dieses Prinzips, die keineswegs allein auf Bush-Cheney zurückzuführen ist, wird der Partei noch in einigen Jahren zu schaffen machen.
Übrig bleibt der Kulturkampf, das Hochhalten von traditionellen Werten wie Familie, Religion und Waffen, das entscheidend für die Republican Revolution 1994 und einer von mehreren ausschlaggebenden Faktoren für den Wahlsieg 2004 gewesen war. In bestimmten Regionen lassen sich damit auch in Zukunft Stimmen holen, aber die kulturelle Hegemonie der Rechten bröckelt zusehends. Und Religion und Spiritualität werden von Barack Obama, der auch mit der Betrachtung von Abtreibung als moralischem Thema sich von früheren Kandidaten absetzt, medial viel besser in Szene gesetzt als von George W. Bush.

Zweitens hat der Schmutzwahlkampf, die Beschreibung des Gegners als europäisch, arabisch/muslimisch, weich, elitär, abgehoben, als Wahlkampfinstrument, wie es von Karl Rove bei vergangenen Wahlen erfolgreich eingesetzt wurde, nicht nur an Schlagkraft verloren, sondern die Republikanische Marke mit ruiniert, moderate Republikaner und Unabhängige vergrault (möglicherweise hat John McCain seine Chancen genau an dem Tag verspielt, als er seinen Wahlkampf dem Rove-Protegee Steve Schmidt überantwortete).

Was bedeutet das befürchtete Szenario am 4. November praktisch? Da die Republikaner vornehmlich im Westen, im Mittleren Westen und im Nordosten Sitze verlieren werden, wird die verbleibende Fraktion im Kongreß mehr noch aus südlich geprägten Konservativen der christlichen Rechten bestehen, d.h. auf gemäßigte Konservative und Unabhängige noch weniger anziehend sein. Die Wahrscheinlichkeit, daß die Republikaner 2010 die Mehrheit im Kongreß zurückerobern oder gar ein ähnlicher Richtungswechsel wie 1994 geschieht, sind annäherungsweise null.

Fazit: Die Demokraten dürften in den nächsten vier, acht oder zwölf oder mehr Jahren triumphieren ohne selbst überwältigende neue Konzepte entwickelt zu haben. Die inhaltliche Leere, das intellektuelle Vakuum innerhalb der Republikanischen Partei sowie der Verrat von konservativen Prinzipien stürzt die Partei in eine lange Krise. Was tun?

Matt Moon argumentiert, zunächst müsse der nostalgische Blick auf Ronald Reagan überwunden werden. Das ist auch nach meiner Auffassung ein Schritt in die richtige Richtung. Denn dahinter steht auch die (simple) Erkenntnis, daß die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nicht mit den Rezepten aus den 80ern bewältigt werden können.

Die Debatte möge fortgesetzt werden....

Wassup 2008

Freitag, 24. Oktober 2008

Vorkämpfer gegen Antisemitismus verzweifelt gesucht

Mit den Krawallantisemiten aus der SED-Nachfolgepartei "Die Linke" will die Unionsfraktion keine gemeinsame Erklärung gegen Antisemitismus abgeben:

"Mit den Linken machen wir mit Sicherheit keinen Antrag gegen Antisemitismus", sagte der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Hans-Peter Uhl, der Süddeutschen Zeitung . "Es gibt in der Linkspartei eindeutig antisemitische Tendenzen", fügte er hinzu.
"Wir halten es für Heuchelei, wenn sich die Linke als Vorkämpfer gegen Antisemitismus geriert", heißt es in einer Erklärung Uhls und der Bundestagsabgeordneten Kristina Köhler."Als diese Partei noch unter dem Namen SED die Geschicke in der DDR lenkte, hat sie Israel das Existenzrecht verweigert und den jüdischen Staat nie anerkannt."
Bis heute habe die Linkspartei keine "klare Trennung von ihrer unrühmlichen Tradition" vollzogen. Abgeordnete der Linken beteiligten sich an "antisemitischen Demonstrationen" zur Unterstützung von Hamas und Hisbollah.


Weil Uhl und Köhler noch erkennen könnten, wie unsinnig eine gemeinsame Erklärung auch mit der Fraktion der Grünen ist, wehrt deren rechtspolitischer Sprecher präventiv ab:

"Uhl ist ein alter Krakeeler", sagte ihr rechtspolitischer Sprecher Jerzy Montag der Süddeutschen Zeitung. Es sei "absolut unangemessen, solche Töne anzuschlagen". CDU und CSU selbst seien im Umgang mit dem Antisemitismus keineswegs immer vorbildhaft gewesen. "Die Union muss immer bedenken: Wenn sie in der Frage des Antisemitismus mit dem Finger auf andere zeigt, zeigen drei Finger auf sie zurück", warnte Montag.

Heiliger St. Florian......und was sagt Herr Westerwelle dazu?
Weitere Links zum Thema:
Werner Pirker im Zentralorgan des linken Antisemitismus: Adenauers Erben

Dienstag, 21. Oktober 2008

Die Zukunft der Zeitung


Ein interessanter neuer Artikel von Philip Meyer, der in seinem Buch The Vanishing Newspaper den Zeitpunkt für das Erscheinen der letzten gedruckten amerikanischen Zeitung auf das Jahr 2043 kalkuliert hatte, beschäftigt sich damit, wie die Zeitung in Zukunft Überlebenschancen haben will, modellhaft aussehen sollte.


Auch in Deutschland dürften die meisten Tageszeitungen mit sinkenden Absatzzahlen zu kämpfen haben. Wer der heute unter 25jährigen liest noch regelmäßig eine Tageszeitung? Wenn das E-Medium um das Jahr 2000 seinen Durchbruch gehabt hat, könnte esein, daß eine Generation später, also um das Jahr 2025 nur noch die Gruppe der dann über 50jährigen eine Zeitung wird lesen wollen.

Meyer argumentiert, daß die Informationen des "Lokalteils" am wenigsten gefährdet sind, durch andere Medien substituiert zu werden. Unter diesen Informationen sind keine Polizeimeldungen oder etwa Pressemeldungen ortsansässiger Unternehmen zu verstehen. Sondern das Geschehen, das abzubilden den Journalisten erfordert, der vor Ort recherchiert und die Informationen in einen Kontext bringt.

Die journalistische Königsdisziplin war von jeher die Reportage. Von ihr lebt auch die Zeitung. In Zukunft erst recht.

Montag, 20. Oktober 2008

NS-Figur bei Family Guy

Vor einigen Monaten hatten Freunde mir erzählt, "Family Guy" sei etwas Lustiges...

Another endorsement

Seit mehr als 30 Jahren hat die LA Times keinen Präsidentschaftskandidaten mehr unterstützt. Gestern sprach auch sie sich für Barack Obama aus:
We may one day look back on this presidential campaign in wonder. We may
marvel that Obama's critics called him an elitist, as if an Ivy League education
were a source of embarrassment, and belittled his eloquence, as if a gift with
words were suddenly a defect. In fact, Obama is educated and eloquent, sober and
exciting, steady and mature. He represents the nation as it is, and as it
aspires to be.

Sonntag, 19. Oktober 2008

1964 for the Republicans again?

Erstmals seit 1964 unterstützt der Houston Chronicle einen Demokraten für die Präsidentschaft. Meine Rede.

Powell Endorsement

Der Zeitpunkt könnte für McCains Wahlkampf kaum schlechter sein. Noch 16 Tage bis zur Wahl und McCain müßte dringend eine Story produzieren, um das Ruder rumzureißen. Die Unterstützung von Powell fällt nach meiner Meinung aus einem Grund besonders ins Gewicht:

Powell befand sich auf der Liste von McCains Vizepräsidentschaftskandidaten.

McCains enttäuschende Kampagne läuft auf eine Niederlage wie die von Goldwater 1964 zu.

Mittwoch, 15. Oktober 2008

Krugman

Mich fragte ein Kollege heute morgen, ob ich denn "das Buch" vom Krugman gelesen hätte. Hm, meinte ich, im Studium hätte ich es durchaus mit seinem großen Lehrbuch zu internationalem Handel zu tun gehabt. Er blätterte nochmal in der Zeitung nach und sagte, ach für seine Beiträge zu internationalem Handel habe Krugman wohl auch den Preis bekommen. Aber er hätte in Erinnerung, daß er auch den Bush kritisierte hätte, wohl auch in Form eines Buches, wisse nur nicht mehr, wie das hieß.

Ich hatte mir bereits gedacht, als die welt online "Bush-Kritiker erhält Nobelpreis" titelte, daß bei einigen Leuten der Eindruck entstehen könnte oder auch sollte, daß Bush-Kritik alleine schon nobelpreiswürdig wäre, was ich ja im Hinblick auf Harold Pinter in der Literatur auch nicht ganz falsch ist. Was hatten die deutschen Blätter eigentlich bei Prescott III vor vier Jahren in den Schlagzeilen?

Krugman ist übrigens von Gary Becker abgesehen wohl auch der erste bloggende Nobelpreisträger der Wirtschaftswissenschaften.

Samstag, 11. Oktober 2008

Amtsmissbrauch und Niedergang


Wenn Sie dachten, Sarah Palin wäre wenigstens kein weiterer Cheney, könnten sie daneben gelegen haben.

Der Vorwurf des Amtsmissbrauches ist nur ein weiteres Anzeichen dafür, wie diese Vizepräsidentschaftskandidatur, die sich mehr und mehr als eine einzige Farce zeigt, in sich zusammenstürzt. Eine Kandidatin, die sich keinen Pressekonferenzen stellt, der in x-facher Hinsicht ein Clinton-haftes Verhältnis zur Wahrheit in so kurzer Zeit nachgewiesen werden kann, steht nicht für das Amerika, das ich kenne oder zumindest mal kannte.

Ich wußte in den ersten Tagen nach der Nominierung nicht und konnte auch nicht wissen, was genau von Sarah Palin zu halten ist. Mittlerweile muß ich meine anfängliche Sicht, die Nominierung könnte ein zwar risikoreicher, aber dennoch cleverer Schachzug sein, zurücknehmen. Diese Nominierung ist eine Beleidigung.
McCain hat keine Chance mehr auf den Wahlsieg und glaubt möglichwerweise selbst nicht mehr an den Erfolg. Die Chancen der GOP bei den Kongreßwahlen sinken ebenso täglich. Es ist vorstellbar, dass die Demokraten im Senat auf bis zu 60 Sitze kommen könnten (das wäre eine qualifizierende Mehrheit). Die Republikanische Ära endet. "Wir" sollten daher langsam die Debatte beginnen, was aus der GOP nach der Niederlage werden wird. Wie wird und wie sollte sich der amerikanische Konservatismus entwickeln?
Weitere Links zum Thema:
Florian Heinhold zu "Troopergate": Abuse of Power
Andrew Sullivan: Abuse of Power
Matt Yglesias wußte es schon vorher: Alaska Inquiry Concludes Palin Abused Powers
(bin ich eigentlich der einzige, dem die ganzen "Gates" - ich meine die Bezeichnung, nicht die Skandale selbst - auf die Nerven gehen?)

Freitag, 10. Oktober 2008

Lost my country

Christopher Hitchens ist mit seinem neuen Essay in Vanity Fair nun (fast) auf einer Linie mit Paul Krugman. Ein Lesemuß zum Wochenende!

"Im Geiste Yassir Arafats"

Schikora stellt in Bezug auf die Verleihung des Friedensnobelpreises an Marti Ahitsaari die Reaktionen Rußlands heraus.
Auch nach meiner Auffassung stellte Ahitsaaris Kosovo-Plan die ultimative Durchsetzung der Willkür als globales Handlungsprinzip dar. Das heißt aber nicht, daß dieser Preisverleihung die gleiche Bedeutung zukäme wie jener an Arafat. Ahitsaari ist kein albanischer Terrorist.
Weiterer Link zum Thema:
Augenzuppler: Nobelpreise für excellente Hermeneutiker?

Montag, 6. Oktober 2008

Lest mal lieber nichts, ihr Linken!

Zettel fürchtet die Marx-Lektüre einiger (linker) Studierender:

"Jetzt lesen sie also wieder ihren Marx, die linken Studenten. Und manche werden sich wieder, wie einst vor vierzig Jahren, vom Blitzen und Donnern seiner Sprache verführen lassen."

Marx wirklich gelesen haben dürften vor vierzig Jahren die wenigsten linken Studenten. Daß aber manche eine "Renaissance des Marxismus" befürchten, weil sich an einigen Hochschulen Grüppchen bilden, die ein bißchen über die Kritik der politischen Ökonomie plaudern wollen, zeigt doch, wie unausrottbar selbst die irrwitzigsten Ausprägungen des Antikommunismus sind. Trotz des Zusammenbruchs des real exisitierenden Sozialismus vor zwei Jahrzehnten.

McCains Reputation


Nate Silver zeigt eine Graphik, die einem erschreckend klar vor Augen führt, wie sich McCains Wahlkampf auf sein einstiges Image als unabhängiger und charakterstarker Politiker bisher ausgewirkt hat. Die Reputation von John McCain scheint mittlerweile weitestgehend zerstört zu sein.

Köln-Marathon 2008

Nicht nur geplästert hat es beim gestrigen 12. Ford Köln-Marathon. Teilweise ist mir ein Gegenwind ins Gesicht und auf die Brust geblasen, der mich an manchen Spaziergang an der Ostseeküste erinnerte.

Die Zuschauerunterstützung war, berücksichtigt man das Wetter, wieder sehr gut. Die Stimmung an der Strecke zeichnet den Köln-Marathon seit Jahren schon in ganz besonderem Maße aus.

Trotz der unglücklichen Wetterbedingungen bin ich mit einer neuen Bestzeit in 03:30:27 h gesund ins Ziel gekommen.

Freitag, 3. Oktober 2008

Mit Frau Ensslin in der Wanne

Gelohnt hat sich der Besuch im Kino am vergangenen Sonntag um 11.45 Uhr (so früh war ich noch nie im Kino, erst recht nicht bei schönem Wetter) allein wegen der Schauspielerischen Glanzleistung von Johanna Wokalek in der Rolle von Gudrun Ensslin. Wer sich intensiv mit den Anfängen der RAF beschäftigt hat und ihre Briefe (in dem Buch Zieh den Trennungsstrich jede Minute) gelesen hat, dürfte doch ein Gefühl besitzen, wer diese zweifelsohne reizvolle Frau gewesen ist. Johanna Wokalek ist sie. Als 17jähriger Peter Jürgen Boock, frisch vermöbelt aus dem Erziehungsheim kommend, von so einer Frau in die Badewanne gebeten zu werden, mag zum kopflosen Mörder werden lassen. Umso mehr Kopfschütteln ruft die Figur Moritz Bleibtreu als Vollproll Andreas Baader hervor. Nicht nur Bleibtreus kühles Norddeutsch (Baader wuchs in München auf) ist vollkommen unpassend. Dieser Filmbaader wirkt zwar sympathisch, aber eben als Bübchen. Daß Andreas Baader selbst Richter Dr. Prinzing, wie dieser im vergangenen Jahr erst in einem Zeitungsinterview bekundete ("als Soldat wäre er brauchbar gewesen"), sympathisch war, lag darin begründet, daß Baader als hochintelligenter pöbelnder Anarcho, der die Zuhältersprache aus seine gesamte Umgebung übertrug (die Frauen der RAF bezeichneten sich sodann schließlich untereinander als "Fotze(n)"), den Wunschvorstellungen des autoritären Charakters bestens entsprach.

Bleibtreu checkt null, wen er eigentlich spielt, mag er sich auch noch so sehr, wie er bei Anne Will meinte, in die Zeit eingelesen haben.

Gut getroffen sind der blutjunge Stefan Aust, der zu Beginn des Films nur kurz in Erscheinung tritt, sowie das Arschloch Klaus Rainer Röhl. Mit Bruno Ganz als Horst Herold kann ich nicht viel anfangen. Nicht seine seit vier Jahren zwangsläufige Verknüfung mit der Hitler-Rolle zerstört sein siel in diesem Film. Ganz ist um einiges älter als es Herold in den 70er Jahren war und tritt auch als alter Beamter in Erscheinung. Und die Story vom grübelnden, tiefsinnigen und unkonventionellen Mann des Staates ist nach meiner Kenntnis eine Legende.

Daß der Antisemitismus der RAF in dem Film so gut wie gar nicht vorkommt, wie auch nichtidentisches in seiner lesenswerten Kritik herausstellt, verwundert kaum. Die RAF war fester Bestandteil eines Vernichtungskrieges gegen Israel, der keineswegs erst mit der zweiten Generation beginnt. Der Film allerdings stellt sich dem Denken der RAF insgesamt gar nicht. Man hört allein Ulrike Meinhofs bekannteste Textpassagen (ihre Rechtfertigung der Aktion des Schwarzen September taucht jedoch nicht auf) immer wieder, aber nirgendwo wird das Konzept Stadtguerilla erläutert, wird auch der ansatzweise der Versuch gemacht, das Denken der Gründergeneration, das den ideologischen Background schließlich der zweiten und dritten Generation ausmachte, zu analysieren. Der Politjargon ist auf ein Minimum begrenzt. Von Diskussionen sieht man gar nichts.
Stattdessen erzählt dieser Actionfilm die Geschichte der Jahre 1967 bis 1977 auf eine unreflektierte Weise, bei der jede Bluttat untergebracht werden muß. Und so hechelt der Film im letzten Drittel des Films in einem Affentempo von einem Attentat zum nächsten. Das kann der Zuschauer nur nichtssagend finden.
Uli Krug schrieb in der vorletzten Ausgabe der Bahamas mit Blick auf die Debatte zu 30 Jahren Deutsche Herbst, wer wie die RAF, dem Volk habe dienen wollen, der habe es nicht besser verdient, als volkstümlich vermarktet zu werden. So ist es.

Die Jüngeren wissen jetzt vielleicht ein ganz klein wenig mehr über die Chronologie der Ereignisse jener Zeit. Mehr aber auch nicht.

Donnerstag, 2. Oktober 2008

"Anyone can grow up to be president"

W

Erst vor einigen Tagen dachte ich, ohne von dem neuen Oliver-Stone-Film gehört zu haben, darüber nach, wie ein Spielfilm über George W. Bush aussehen könnte. 21 Jahre dauerte es bis Nixon in die Kinos kam. Dieser Film läuft noch vor Ende der Amtszeit des Präsidenten an. Das ist für Histotainment viel zu früh, für Satire viel zu spät.

Richard Dreyfus wäre mir auch als erster für die Rolle von Cheney in den Sinn gekommen. Passt einfach am besten in das klassische Bild vom bösen Machtmenschen und das Alter kommt auch hin.

Ein Interview deutscher Bush-Basher mit Stone erschien heute.

Was ohne Bankenrettung passieren würde

Philip Plickert bemüht den Wirtschaftshistoriker Harold James:

Die Warnung vor einer neuen Großen Depression wie in den dreißiger Jahren, als die Arbeitslosenquote auf 25 Prozent stieg, hält er für Angstmacherei. „So schlimm wird es wohl nicht.“ Eher sei im Szenario von Kreditklemme und Rezession mit 2 bis 3 Prozent weniger Wirtschaftsleistung über mehrere Jahre zu rechnen. Verglichen damit, erscheinen die 7 Prozent vom BIP für die Rettungsaktion eher günstig - falls das Paket tatsächlich die Krise zu bereinigen hilft.

Die Mehrheit der Amerikaner und ein Großteil der Politiker haben noch nicht verstanden, in welcher Misere wir sind. In welcher wir wirklich sind, können wir vielleicht alle auch nicht wissen. Das Votum der Kongreßabgeordneten in dieser Woche war nicht nur unverantwortlich.

Dresden Swindle

Eine Lüge aus Goebbels' Propagandaministerium, die sich besonders hartnäckig in den Köpfen vieler Deutscher bis heute hält, ist die Behauptung, in der Nacht auf den 14. Februar 1945 seien Hunderttausende von Menschen bei der Zerstörung Dresdens "ermordet" worden.

Dabei sind die Ergebnisse der Historikerkommission alles andere als neu, wenn auch die Zahlen zwischen 25.000 oder 35.000 bisher als nicht wissenschaftlich gesichert gelten konnten.

Leseempfehlung: Gunnar Schubert
 
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