Die Republikanische Partei wird am 4. November mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Weiße Haus verlieren, ihre Minderheit im Senat könnte auf 40 Sitze schrumpfen, und im Repräsentantenhaus wird sie aller Voraussicht nach zahlreiche weitere Sitze verlieren.
Zu den gängigen Fehlschlüssen aus diesem unmittelbar drohenden Szenario gehört die Annahme, die Krise der GOP habe ausschließlich ihre Ursache in der historisch niedrigen Popularität des Präsidenten (die Zustimmungsraten bewegen sich zwischen 20 und 25%) und der insgesamt gescheiterten Präsidentschaft. In Wahrheit wird die Partei in der nahen Zukunft mit viel tiefgreifenderen Problemen zu kämpfen haben.
Die offensichtlich von der Merheit der amerikanischen Wähler als verheerend bewertete Bilanz der Bush-Administration ist vielmehr eine Ursache für die Stärke der Demokraten als für die Schwäche der Republikaner. Hätte vor vier Jahren John Kerry, der weder die Basis seiner Partei noch die Medien besonders beeindruckte, im Gegenteil selbst eher unpoplär war, die Präsidentschaftswahlen gewonnen, würde dieser jetzt um seine Wiederwahl kämpfen, und gleichgültig, wer für die GOP kandidierte, gelte die Wahl 2008 als weitaus weniger historisch, würde der Wähler von den Demokraten kaum wirkliche Veränderung erwarten können. Möglicherweise gelänge es dem "maverick" John McCain viel eher, sich als der richtige Adressat für den Ruf nach "Change" zu verkaufen. Auch unter der Annahme eines Wahlsieges von Al Gore vor acht Jahren könnten wir relativ sicher davon ausgehen, daß die Demokraten heute erstens einen anderen Präsidentschaftskandidaten stellen und zweitens prinzipiell geringere Wahlchancen hätten. Das Phänomen Barack Obama und die Begeisterung für ihn sind selbst ein Produkt der Ära Bush.
Widmen wir uns nun der Schwäche der Republikanischen Partei, die nicht nur abhängig ist von der Stärke der Demokraten, für die diese wiederum wenig können. Was sind die Ursachen? Erstens ziehen, wie ich vor fünf Monaten hier bereits geschrieben habe, ihre traditionellen Themen nicht mehr. Die Wahlen der letzten Jahrzehnte wurden grob gesagt mit Antikommunismus, small government und Kulturkampf gewonnen. Der Antikommunismus wurde nach 1990 obsolet. Small Government blieb vermutlich immer schon eher eine Illusion, wurde aber spätestens in den Bush-Cheney-Jahren auch philosophisch durch big government ersetzt. Da die Etablierung des mittlerweile größten Staatsapparates aller Zeiten bei gleichzeitiger Rekordverschuldung allerings nicht nur nach acht Jahren Bush, sondern eben auch nach zwölf Jahren Republikanischer Kongreßmehrheit bis Ende 2006 geschah, dürfte die GOP auch in den kommenden Jahren mit dem Versprechen von small government wenig glaubwürdig sein. Das ist als ein Kernproblem einzustufen. Denn der Glaube, daß "government" so wenig wie möglich für den Bürger erledigen, ihn nicht bevormunden soll, war ein Republikanisches Urprinzip. Die Verletzung dieses Prinzips, die keineswegs allein auf Bush-Cheney zurückzuführen ist, wird der Partei noch in einigen Jahren zu schaffen machen.
Übrig bleibt der Kulturkampf, das Hochhalten von traditionellen Werten wie Familie, Religion und Waffen, das entscheidend für die Republican Revolution 1994 und einer von mehreren ausschlaggebenden Faktoren für den Wahlsieg 2004 gewesen war. In bestimmten Regionen lassen sich damit auch in Zukunft Stimmen holen, aber die kulturelle Hegemonie der Rechten bröckelt zusehends. Und Religion und Spiritualität werden von Barack Obama, der auch mit der Betrachtung von Abtreibung als moralischem Thema sich von früheren Kandidaten absetzt, medial viel besser in Szene gesetzt als von George W. Bush.
Zweitens hat der Schmutzwahlkampf, die Beschreibung des Gegners als europäisch, arabisch/muslimisch, weich, elitär, abgehoben, als Wahlkampfinstrument, wie es von Karl Rove bei vergangenen Wahlen erfolgreich eingesetzt wurde, nicht nur an Schlagkraft verloren, sondern die Republikanische Marke mit ruiniert, moderate Republikaner und Unabhängige vergrault (möglicherweise hat John McCain seine Chancen genau an dem Tag verspielt, als er seinen Wahlkampf dem Rove-Protegee Steve Schmidt überantwortete).
Was bedeutet das befürchtete Szenario am 4. November praktisch? Da die Republikaner vornehmlich im Westen, im Mittleren Westen und im Nordosten Sitze verlieren werden, wird die verbleibende Fraktion im Kongreß mehr noch aus südlich geprägten Konservativen der christlichen Rechten bestehen, d.h. auf gemäßigte Konservative und Unabhängige noch weniger anziehend sein. Die Wahrscheinlichkeit, daß die Republikaner 2010 die Mehrheit im Kongreß zurückerobern oder gar ein ähnlicher Richtungswechsel wie 1994 geschieht, sind annäherungsweise null.
Fazit: Die Demokraten dürften in den nächsten vier, acht oder zwölf oder mehr Jahren triumphieren ohne selbst überwältigende neue Konzepte entwickelt zu haben. Die inhaltliche Leere, das intellektuelle Vakuum innerhalb der Republikanischen Partei sowie der Verrat von konservativen Prinzipien stürzt die Partei in eine lange Krise. Was tun?
Matt Moon argumentiert, zunächst müsse der nostalgische Blick auf Ronald Reagan überwunden werden. Das ist auch nach meiner Auffassung ein Schritt in die richtige Richtung. Denn dahinter steht auch die (simple) Erkenntnis, daß die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nicht mit den Rezepten aus den 80ern bewältigt werden können.
Die Debatte möge fortgesetzt werden....
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3 Kommentare:
Und wer weint jetzt etwa???!!
Ein paar treue Redneck-Republicans wird es immer geben, keine Angst.
Die sind natürlich nicht nur auf "gemäßigte Konservative weniger anziehend" :-)
http://de.youtube.com/watch?v=lkl_h7eC2kU
Ausgezeichnete Analyse. Nur drei kleine Ergänzungen:
Der überragende Faktor ist meines Erachtens die demographische Dynamik. Im Südwesten zugunsten der Latinos, an der Westküste zugunsten der Asians.
Die WASPs haben in den USA ihre dominierende Position verloren, ein für allemal. Bush konnte das teilweise kompensieren, weil er bei den Latinos beliebt war.
Der zweite Punkt ist, daß trotz der strukturellen Gesichtspunkte, die Sie darlegen, am Ende doch die aktuelle Konstellation im politischen System der USA ausschlaggebend ist. Ohne die Finanzkrise gäbe es jetzt wahrscheinlich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit vielleicht leichten Vorteilen für Obama.
Drittens sollte man die Dynamik des amerikanischen Parteiensystems nicht unterschätzen. In den sechziger und siebziger Jahren hat es sich total gewandelt, als die Southern Democrats zugunsten der GOP an Bedeutung verloren und zugleich die GOP ihren liberalen Flügel verlor. Jetzt könnte etwas Ähnliches bevorstehen.
Herzlich, Zettel
@zettel
Danke für die Hinweise. Alle drei Punkte sehe ich genauso.
Ich neige tatsächlich dazu, die demographische Dynamik in diesem Zusammenhang zu unterschätzen.
Und auch in Bezug auf die aktuelle politische Konstellation haben Sie recht: McCain hatte bis Ende August alle Chancen, die Wahl zu gewinnen. Das änderte ja aber nichts an der Krise der GOP. Wir hätten dann eben die Implosion der Partei unter einem Präsidenten McCain bebachten können.
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