Mittwoch, 29. Dezember 2010

2010 gelaufen



Da der Silvesterlauf in Schifferstadt, an dem ich seit 2003 mit der Ausnahme von 2005 bisher in jedem Jahr teilgenommen habe, aufgrund der Witterungsverhälnisse abgesagt wurde, und ich außerdem an Silvester nach Wien reise, wird es dieses Jahr keinen Wettkampf mehr geben. Es ist daher an der Zeit, auf das Jahr 2010 zurückzuschauen und zu fragen, wie es für mich als Läufer lief.

Hatte ich im Januar noch kaum trainiert, fing ich im Februar mit der Vorbereitung des Mannheim-Marathon an, und fror mir bei den ersten längeren Läufen regelrecht Finger wie Genitalien ab. Doch so recht kam ich zunächst nicht in Schwung; der Sandhofen Strassenlauf über 10 km am 20. März mußte wegen Erkältung ausfallen. Auch im April kränkelte ich etwas rum. So trat ich am 15. Mai 2010 mit geringen Erwartungen zum MLP Marathon in Mannheim bei alledings optimalem Laufwetter an. Mein Zeitziel lag hatte ich ganz unten zwischen 03:40 und 03:50 h angesetzt. Ich wollte mit 5 Minuten auf den Kilometer beginnen und dieses Tempo eben halten so lange es ging. Zu meiner Überraschung konnte ich diese Geschwindigkeit auf den ersten 28 Kilometern halten und auch danach ging es nur sehr geringfügig runter. Der Einbruch, mit dem ich so fest gerechnet hatte, kam bis zum Schluß nicht, was ich zum Teil auch meinem Laufkumpanen zu verdanken hatte, der in Ludwigshafen bei Kilometer 26 ins Rennen eingestiegen war und mich von da an begleitete. Mit 03:35:56 h lief ich ins Ziel, meiner zweitbesten Zeit in zehn Marathon-Wettkämpfen.
Danach war erstmal ein wenig Pause. Den traditionellen Citylauf Viernheim am 12. Juni sagte ich ab, weil mir eine Kundgebung der Bahamas in Berlin an diesem Tag wichtiger war. Weiter ging es dann erst mit einer Hitzeschlacht in Stutensee-Büchig am 10. Juli. Den Lauf dort über 10 km bestritt ich mit meinen Kollegen bei gefühlten 37 bis 39 Grad Celsius. Die Hitzeschlacht war eine gänzlich neue Erfahrung. Auf einigen Abschnitten in der Strecke fühlte man sich mitten in der Wüste. Bereits auf dem ersten Kilometer, den ich sehr schnell anging, wuchsen meine Hemmungen, das Tempo zu halten. Konnte ich die erste Hälfte in weniger als 23:30 Minuten bestreiten, brach ich auf den letzten zwei Kilometern richtig ein und lief mit auch unter den Bedingungen schwachen 49:01 Minuten ins Ziel.

Nach meinem Urlaub in Belgien ging es Ende Juli mit der Vorbereitung des Köln-Marathon los. Zum Auftakt lief ich beim Sommernachtslauf in Bellheim am 7. August über 25 km mit 02:01:16 h eine neue Bestzeit. Das Training lief nach Plan. Drei Wochen später absolvierte ich den Volkslauf über 10 km in Mannheim-Rheinau in akzeptablen 44:46 min. Am 12. September konnte ich im Golfpark von St. Leon-Rot unter einer recht intensiven Sonne mit 01:37:43 h eine Halbmarathon-Bestzeit aufstellen und immerhin unter den TOP 50 bleiben. Doch zwei Tage später war ich wieder krank.

Gerade in der Woche, in der das Training den höchsten Kilometerumfang und damit seinen Höhepunkt erreichen sollte, fielen die Einheiten komplett aus. Auch in der Woche drauf. Eine Woche vor dem Rennen, als es einigermaßen wieder ging, absolvierte ich noch den letzten langen Lauf, was möglicherweise ein Fehler war.
Beim Köln-Marathon am 3. Oktober kam es dann mit 03:47:37 h zum Fiasko (Zielzeit unter 03:30 h). Ab dem 27. Kilometer war ich nur noch getrabt. Vielleicht lag mir der Virus noch im Körper.

Mit zwei neuen Bestzeiten und zwei gefinishten Marathonläufen war das Jahr alles in allem gar nicht so schlecht, vor allem nicht im Vergleich zum Vorjahr, als es aufgrund einer langen Verletzungspause (Bruch Radiusköpfchen, rechter Ellbogen) gar nicht erst zum Marathon kam.

In den Monaten November und Dezember habe ich trotz des "Winters", motiviert auch durch diverse Tweets und Blogeinträge anderer Läufer, eine ganze Menge an Kilometern abgerissen. Im kommenden Jahr möchte auf 10 km mindestens auf mein Niveau aus dem Jahr 2003 zurück (42er Zeiten) und auf Marathon eine neue Bestzeit (unter 03:30 h).

So be it! Guten Rutsch!

Dienstag, 28. Dezember 2010

Vorhersagen für 2011

1. Politiker fordern eine "offene und ehrliche Diskussion" über Hartz IV.

2. Der Euro-Rettungsschirm wird erweitert und in der Financial Times Deutschland sieht Wolfgang Münchau das Ende des Euro gekommen.

3. FDP-Politiker Frank Schäffler klagt über "Inflation".

4. Stefan Mappus bleibt Ministerpräsident von Baden-Württemberg und wertet seinen knappen Sieg bei der Landtagswahl als "deutliches Signal des Wählers für Stuttgart 21."

5. Der BVB vergeigt die Meisterschaft, Bayern München holt den Titel.

6. Bundespräsident Christian Wulff ruft auf dem Evangelischen Kirchentag in Dresden zu Toleranz und Respekt auf.

7. Scientologen erhalten in Deutschland ein allgemeines Berufsverbot.

8. Eine Historiker-Kommission kommt in einer Studie zu der Erkenntnis, daß Nazis in der alten Bundesrepublik Karriere machten.

9. Jopi Heesters feiert seinen 108. Geburtstag.

10. Im Dezember kommt es zu einem plötzlichen "Wintereinbruch", auf den die Deutsche Bahn nicht vorbereitet war.

Donnerstag, 23. Dezember 2010

Frohe Weihnachten

Zeit des Innehaltens und An-einander-Denkens. Zeit der Ruhe und Besinnung. Eine Gelegenheit, sich bei anderen in Erinnerung zu rufen. Eine Gelegenheit aber auch, eine Ahnung vom Glück zu behalten.

Zeit, um offline zu gehen. Ich wünsche frohe Weihnachten!

Mittwoch, 8. Dezember 2010

Zielen auf den Nullpunkt



Drei Zustände sind der Schlüssel zum Erlebnis: der Rausch, der Schlaf und der Tod


-Ernst Jünger

In nichts waren die Zeitgenossen Martin Heidegger, Carl Schmitt und Ernst Jünger wohl so nah beieinander wie in ihrer Verehrung des Todes. Dabei haben sich all diese drei Vertreter der Deutschen Ideologie sehr lange Zeit für das Sterben gelassen. Beides steht nicht unbedingt im Widerspruch zueinander. Ernst Jüngers fast 103 Jahre langes Leben war ein einziges Wirken, das darauf gerichtet war, auf den Nullpunkt zu zielen, immer wieder aufs Neue Zeuge des Todes zu werden, Zuschauer des Sterbens, selbst Verwandler von Lebendigem in Totes zu sein. Dies zeigt die Ernst-Jünger-Ausstellung in Marbach (Neckar).


Da gelangt der Besucher die Treppe hinunter und stößt zunächst auf einen bunten Schirm, eins der Modelle, mit denen Jünger auf Käferjagd ging. Von diesem Mordinstrument in die entsprechende Stimmung versetzt, geht es weiter in dunkle Räume. Auf dem Boden liegt Jüngers Helm aus dem Ersten Weltkrieg, der ihm das Leben rettete, daneben Jüngers Tagebuchnotiz von 1917: "Ich schaute nach, ob das Gehirn noch intakt war. Zum Glück nur Blut."

Die Ausstellung versammelt handschriftliche und typografische Manuskripte Jüngers, beginnend bei seiner Schulzeit zu Anfang des 20. Jahrhunderts bis kurz vor seinem Tode 1998. Hauptanliegen der Ausstellungsmacher ist es, Jünger als unermüdlichen Produzenten und Textver- und bearbeiter vorzustellen. Das gelingt ihnen. Der Zeuge verschiedener Epochen arbeitete seine Manuskripte immer wieder neu durch, schmückte seine Notizen mit Käfern und Zeichnungen, bemalte Worte und Sentenzen bis zur Unkenntlichkeit, änderte die Formate und fügte verschiedene Texte zusammen. Er war eben ein kalter und penibler "Arbeiter", dem noch die Feder zur mörderischen Waffe geriet. Die Schau ist in zehn thematische Punkte gegliedert, darunter "Am Nullpunkt", "Letzte Worte", "Totale Tinte", Blüten und Reime" oder "Positivistische Etappe."

Die Sehnsucht nach "letzten Worte." Auf einer Karteikarte zum bayerischen Komiker Karl Valentin schrieb er das Zitat: "Ich wußte nicht, wie schön Sterben sein kann."


Gesammelt hat er nicht nur tote Käfer. Urlaubsbilder und Souvenirs häufte der wohl am meisten und weitesten gereiste Schriftsteller des 20. Jahrhunderts ebenso an wie unzählige Muscheln, Schmuck und unzählige Kalendernotizen. Ferner finden sich Bücher, die Jünger "in tiefer Verehrung" von so unterschiedlichen Figuren wie Ulla Hahn, Friedrich Dürrenmatt oder Joseph Kardinal Ratzinger in den 1990er Jahren gewidmet wurden. Briefe hängen an der Wand, darunter ein Brief von Jünger an den Nazi Werner Best aus dem Jahr 1973, von Rudolf Hess aus dem Jahr 1926 (es geht um die Vereinbarung eines Treffens mit Hitler, das später dann kurzfristig abgesagt worden war), von und an Armin Mohler aus dem Jahr 1968.

Ich war von der Ausstellung nach anderthalbstündigem Aufenthalt derart eingenommen, daß ich auf einen Besuch im Schiller-Nationalmuseum verzichten musste. Stattdessen gönnte ich mir ein Mittagessen in der Marbacher Glocke (Prädikat: sehr empfehlenswert).


Die Ausstellung "Ernst Jünger. Arbeiter am Abgrund" ist noch bis zum 27. März 2011 im Literaturmuseum der Moderne zu sehen.

Dienstag, 7. Dezember 2010

Mittelalter in Mannheim



Allgemein bekannt sein dürfte ja, daß die Rhein-Neckar-Region eine der wirtschaftlich stärksten Gegenden der Republik ist. Daß das Gebiet um Rhein und Neckar (und, zugegeben, auch den Main) aber neben der Lombardei und Sizilien zu den Hochinnovativregionen des mittelalterlichen Europa zählte, ist vielleich auch doch nicht jedem wirklich bewußt. Ich lebe in Mannheim, der Hauptstadt dieser Metropolregion, und besuchte gestern gemeinsam mit meiner Mutter im dunklen Zeughaus eine Schau, die einem mit Macht die kulturelle Blüte jener Zeit vor Augen führt.

Die Ausstellung "Die Staufer und Italien", auf deren Eröffnung im September Ministerpräsident Stefan Mappus fehlte, ist der Höhepunkt einer von Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg gemeinsam getragenen Kampagne zum Staufer-Jahr. Es handelt sich um das erste kulturelle Großereignis zu diesem Thema seit der legendären Stuttgarter Staufer-Ausstellung im Jahre 1977. Auf drei Ebenen zeigen die Aussteller 530 Exponate, von denen 70 % bisher nicht zu sehen waren.

Besonders beeindruckend fand ich die zahlreichen Büsten. Ich weiß gar nicht mal, ob ich allgemein im Vergleich zur Malerei ein größerer Fan der Bildhauerkunst bin. Aber vor diesen Skulturen mit antiken Elementen verblieb ich erstmal eine ganze Weile. Doch der Reihe nach. Im Erdgeschoß wird der Besucher durch thematisch Bekanntes in die Epoche langsam eingeführt. Die Könige jener Zeit finden sich nebeneinander porträtiert. Auch findet sich hier der als Reliquie verehrte Zahn Barbarossas. Das Ganze ist sehr stimmungsvoll inszeniert. Hier und da dürfte der Besucher allerdings mit der Reihenfolge Probleme bekommen, da die Ausschilderung besser sein könnte.

Das konkrete Wirken der Staufer in den 3 genannten Regionen findet sich im 1. Stock systematisch dokumentiert. Die filmischen Überlandaufsichten des Herrschaftsgebietes der Staufer schlagen aufs Gemüt. Im 2. Stock fiel ich dann leider noch meiner Vogelphobie zum Opfer. Ausgestopftes Fledervieh liegt hier auf Tischen rum. Auf dieser (dritten) Ebene findet sich das höfische Leben, die Wechselbeziehungen abendländischer und orientalischer Kultur sowie die Etablierung der Wissenschaft vorgeführt.

Noch bis zum 20. Februar 2011 ist die Ausstellung zu sehen. Auch an Montagen können Besucher die Schau zu Gesicht bekommen. Ein Muß!

Ich schließe mit Friedrich Rückert, der sich an den großen Friedrich Barbarossa Anfang des 19. Jahrhunderts, als die Deutschen verzweifelt um die nationale Einheit rangen, erinnerte:


Der alte Barbarossa,
Der Kaiser Friedrich,
Im unterird'schen Schlosse
Hält er verzaubert sich.

Er ist niemals gestorben,
Er lebt darin noch jetzt;
Er hat im Schloß verborgen
Zum Schlaf sich hingesetzt.

Er hat hinab genommen
Des Reiches Herrlichkeit
Und wird einst wiederkommen
Mir ihr zu seiner Zeit.

Freitag, 3. Dezember 2010

Assange das Fürchten lehren

Stärke demonstrieren, ist angesagt. Es wäre jedenfalls schön, wenn die Supermacht wieder zeigen würde, wer der Herr im Haus ist. Und zum Beispiel einen Herrn Assange in seine Schranken verwiese. So stellt sich Mäxchen den Krieg vor:

Charles Krauthammer geißelt in seiner neuen Kolumne die Hilf- und Tatenlosigkeit der Obama-Regierung in ihrer Antwort auf WikiLeaks.

What's appalling is the helplessness of a superpower that not only cannot protect its own secrets but shows the world that if you violate its secrets - massively, wantonly and maliciously - there are no consequences.

Erschreckend ist die Hilflosigkeit einer Supermacht, die nicht nur ihre Geheimnisse nicht beschützen kann, aber der Welt auch noch vor Augen führt, daß es keine Konsequenzen hat, wenn einer - massiv, mut- und böswillig - ihre Geheimnisse bricht.

Die Angelegenheit runterzuspielen, sei armselig. Vielmehr komme es nun endlich darauf an, Härte zu zeigen:

It's time to show a little steel.

Heh? Hart durchgreifen bitte. Die Veröffentlichung von US-Geheiminformationen erfordere neue Gesetze zur Spionageabwehr. Wo das Jusitzministerium sei, fragt Krauthammer. Und wo die mit 80 Mio US$ jährlich finanzierten Geheimdienste? Da läuft dieser Assange irgendwo frei rum und macht einen auf dicke Hose. Warum eigentlich?

Assange has gone missing. Well, he's no cave-dwelling jihadi ascetic. Find him. Start with every five-star hotel in England and work your way down.

Yeah, you go baby!

Let the world see a man who can't sleep in the same bed on consecutive nights, who fears the long arm of American justice. I'm not advocating that we bring out of retirement the KGB proxy who, on a London street, killed a Bulgarian dissident with a poisoned umbrella tip. But it would be nice if people like Assange were made to worry every time they go out in the rain.

Möge die Welt einen Mann sehen, der in zwei aufeinander folgenden Nächten nicht im selben Bett schlafen kann. Der den langen Arm der Amerikanischen Justiz fürchtet. Ich will nicht den KGB-Mann aus dem Ruhestand holen, der auf einer Londoner Straße einen bulgarischen Dissidenten mit einem vergifteten Regenschirm tötete. Aber es wäre schön, wenn Leute wie Assange auf der Hut sein müßten, wann immer sie nach draußen in den Regen gehen.

So in etwa stellen sich, seit ich etwas denken kann, meine Altersgenossen hier in Deutschland "die Amis" vor.

Mittwoch, 1. Dezember 2010

Kritik des Antizionismus - ein Leserbrief und seine Begleiterscheinungen

In KONKRET 11/2010 kommentiert Philipp Schmidt die Stellungnahmen des SPD-Bundesvorsitzenden in der Causa Thilo Sarrazin: "Seit an Seit schreiten die Genossen dorthin, wo es manchmal riecht - meistens jedoch aufs Erbärmlichste stinkt." Auf der nächsten Seite bewirbt Promedia ein Buch mit dem folgenden Text: "Längst schon ist die lustvoll heteronome Verwendung von 'Antisemitismus' als Parole im vermeintlichen Kampf gegen Antisemitismus in 'eine fürchterliche Epidemie wie die Cholera'umgeschlagen. Ob man diese Epidemie heilen kann, wird sich erst erweisen müssen. Zu offensichtlich kommen gerade die zu Schaden, welche die Träger der anti-antisemitischen Farce meinen, 'beschützen' zu sollen." Daß es die Kritiker des Antizionismus seien, die den Zorn der Antisemiten auf die Juden lenken, hört und liest man gern an Stammtischen der SPD, Möllemann-verherrlichender "Liberaler" und andernorts, wo es "meistens [...] aufs Erbärmlichste stinkt".

Als langjährige KONKRET-Abonnenten wissen wir den Anspruch zu schätzen, Grenzüberschreitungen von der Polemik zur Hetze, mithin vom Kommunismus zum Faschismus Einhalt zu gebieten. Wir gehen hierbei selbstverständlich davon aus, dass KONKRET, diesem Anspruch verpflichtet, das genannte Inserat ausschließlich zu Dokumentationszwecken veröffentlicht hat.


Mark P. Haverkamp, Mannheim
Daniel Leon Schikora, München


In den Mitteilungen in eigener Sache (S. 4) im aktuellen Heft grenzt die KONKRET-Redaktion sich erfreulicherweise deutlich von den Abraham Melzers und deren Rufern ab: "Sollen Frauen niedergemacht werden, sucht die Redaktion sich dafür eine Frau. Will man mit Schwulenwitzen, die sonst nur Handelsvertreter sich trauen, bei linken Studienräten und -rätinnen absahnen, läßt man sie von Schwulen erzählen. Türken oder Muslime her- und hinzurichten, taugt keiner besser als eine Türkin oder ein Moslem. Das Nonplusultra aber ist ein Jude, der Judenwitze erzählt. Oder, ganz im Ernst, wie Moshe Zuckermann in seinem Buch 'Antisemit!' den Antisemiten die Arbeit abnimmt."

Auch in der Dezember-Ausgabe befindet sich die genannte Promedia-Anzeige, und zwar auf der gleichen Seite wie in der vorherigen (S. 17).

Dienstag, 30. November 2010

Warum ist der Datenmissbrauch okay?

Gideon Böss fragt sich, warum Deutschland den jüngsten Datenmissbrauch so klasse findet:

Zum einen bedienen sie das unstillbare Verlangen nach Klatsch und Tratsch,
weswegen der Spiegel in dieser Woche auch so etwas wie die XXL-Ausgabe der
Bunten ist und zum anderen ist es einfach ein gutes Gefühl, die USA so blamiert
zu sehen.

Das ist zwar richtig, wobei der SPIEGEL immer eine XXL-Ausgabe der Bunten ist, aber ich finde es vor allem bemerkenswert, wie enttäuscht die Antiamerikaner von den Veröffentlichungen sind.

Samstag, 20. November 2010

und es bleibt nur konkret

Sie haben ihn als "Karlchen Krause" verspottet, ihn den "letzten Stalinisten seit Enver Hoxha" genannt und in ihm immer einen "Linksextremisten" oder "Holzhammer-Kommunisten" gesehen. Er, der seit 36 Jahren eine antifaschistische Zeitschrift herausgibt, attackiert monatlich in seiner Kolumne die Verhältnisse in dieser Republik und zeigt in seinem Express das fürchterliche Denken der Lohnschreiber dieses Landes an ihrer falschen Sprache auf. "Es spricht der Vertreter der Anklage und er spricht schneidend", schrieb vor einigen Jahren Wiglaf Droste. Noch seine ärgsten Feinde können nicht unhin, ihm eine "bestechende Stilistik" zu attestieren.

Hermann L. Gremliza feiert heute seinen 70. Geburtstag. Ich hoffe, daß ihm noch viele Jahre vergönnt sind und seine Zeitschrift sich noch lange behaupten wird.

Sonntag, 17. Oktober 2010

Bestzeiten

Nach neuen Bestzeiten auf Halbmarathon und 25 km sowie dem Fiasko beim Köln-Marathon 2010 werden in diesem Jahr wohl keine neuen Bestzeiten mehr folgen. Deshalb mach ich mal hiermit eine Zusammenstellung meiner bescheidenen Rekorde:

1000m 03:16 min (gelaufen im Juni 2003 im Rhein-Neckar-Stadion Mannheim)
10 km 42:38 min (gelaufen am 14.09.2003 in St. Leon-Rot)
Halbmarathon 01:37:40 h (gelaufen am 12.09.2010 in St. Leon-Rot)
25 km 02:01:16 h (gelaufen am 07.08.2010 in Bellheim)
Marathon 03:30:27 h (gelaufen am 5.10.2008 in Köln)

Auf 10 km schaffte ich am 9. November 2003 in Eppelheim eine Zeit von 41:30 min, aber leider nicht auf amtlich vermessener Strecke. Der Umfang belief sich etwa auf 9,85 km. 42er Zeiten schaffte ich damals mehrfach. Aber zu der Zeit träumte ich von den 10km unter 40 Minuten und war von all den Ergebnissen sehr enttäuscht.

Samstag, 16. Oktober 2010

Zehn Jahre Daily Dish - Lehrstück eines politischen Blogs

Vor einigen Tagen feierte Andrew Sullivan, ein Urgestein des politischen Bloggens, den zehnten Geburtstag seines Daily Dish. Das halte man sich vor Augen: zehn Jahre!!

Dieses Weblog ist ein Anschauungsbeispiel dafür, wie weit Blogs sich inzwischen entwickelt haben und wie sehr Deutschland noch ein Entwicklungsland in dieser Hinsicht ist. Der gebürtige Engländer, der in den 80ern in die USA auswanderte, bloggt mit einer unglaublichen Produktivität und inzwischen mit der Hilfe mehrer Mitarbeiter. Im Präsidentschaftswahlkampf 2008 brachte er es mehrmals auf 400 Blogposts in der Woche. Andrew Sullivan ist mit der Weiterentwicklung dieses Blogs ein Lehrstück gelungen, das bis heute zahllose amerikanische Online-Journalisten und Blogger inspiriert haben dürfte. Das Weblog liest sich mittlerweile wie ein Magazin. Dem Leser bietet sich eine hübsche Mischung aus Videos, Bildern, unzähligen Links, Lesermeinungen, Zitaten, kürzeren und längeren eigenen Erörterungen und Kommentaren. Wer einzig und allein den Daily Dish regelmäßig verfolgt, ist über die aktuell in den USA geführten Debatten weitaus besser informiert als jemand, der sich offline mit diversen Zeitungen und dem Fernsehen auf dem Laufenden hält.

Zu Sullivans politischem Profil: Geistig im Thatcherismus groß geworden, hält Sullivan sich selbst für einen libertären Konservativen, der in den letzten Jahren eine wachsende Distanz zwischen sich und der amerikanischen Rechten ausmacht, die er täglich auf seinem Blog thematisiert und auch vor vier Jahren in einem Buch verarbeitete. Sullivan ist offen homosexuell, verheiratet und setzt sich seit vielen Jahren vehement für die Homo-Ehe ein. Er unterstützte 1996 und 2000 die Republikanischen Präsidentschaftskandidaten Bob Dole und George W. Bush. Nach dem 11. September 2001 machte er sich mit noch größerem Engagement als sein Freund Christopher Hitchens für die Intervention im Irak stark. Diesen Kurs änderte er ab etwa Mitte 2004. Lustlos unterstützte er im selben Jahr John Kerry. In Bushs zweiter Amtszeit schrieb er täglich mit großem Eifer gegen die Regierung an, die in seien Augen fiskal-, verfassungs- und gesellschaftspolitisch in jeder Hinsicht das Gegenteil von "konservativ" repräsentierte. 2008 unterstützte er mit einem Enthusiasmus, der wohl selbst im Obama-besoffenen Europa ohne Vergleich gewesen sein dürfte, den Kandidaten und Hoffnungsträger der Demokratischen Partei. In diesem Zusammenhang ist aber auch festzustellen, daß Sullivan Barack Obamas politisches Potenzial sehr früh erkannte und 2007 zu den ganz wenigen gehörte, die Obama eine große Siegeswahrscheinlichkeit attestierten.

Sullivans Beiträge sind emotionsgeladen. Er bloggt impulsiv. Und vor allem seine antiisraelischen Ausfälle dürften jeden aufgeklärten Leser abstoßen. Das ändert jedoch nichts daran, daß die Geschichte seines Blogs auch zeigt, wie weit Online-Journalismus heute schon ist oder zumindest sein kann. Sullivan wird freilich für das Bloggen bezahlt. Als der Daily Dish zur Zeitschrift "The Atlantic" zog, vervielfachte er damit die Besucheranzahl der Website des Magazins. Und die Tendenz bleibt steigend. Herzlichen Glückwunsch zum zehnten Geburtstag!

Sonntag, 26. September 2010

Ronald Reagans Steuererhöhungen

Die Republikaner in den USA haben in dieser Woche ihr Programm zu den bevorstehenden Kongresswahlen vorgelegt. Dabei handelt es sich um ein weiteres Zeugnis ihrer fiskalpolitischen Unvernunft. Vorschläge zu einschneidenden Kürzungen auf der Staatsausgabenseite sind nicht zu finden.
Mit Blick auf die Einnahmenseite freilich fordern Republikaner das Einzige, was ihnen immer in den Sinn kommt: Steuersenkungen. Es gibt nichts Schlimmeres als "tax increases." Gern träumen sie von den 80ern, den Reagan-Jahren, in denen die Steuern so mutig reduziert wurden.
Bruce Bartlett, der zu Reagans fiskalpolitischen Architekten gehört, führt die Steuererhöhungen Ronald Reagans auf.

In jener Zeit sorgten Republikaner sich eben doch noch um Staatsdefizite.

Samstag, 11. September 2010

Samstag, 28. August 2010

"Nützliche" Hartzler

Nur so:

"Eine repräsentative Umfrage des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigt, das mehr als die Hälfte aller Hartz-IV Empfänger zwischen 15-64 Jahren einer nützlichen Tätigkeit nachgeht. Sie erziehen Kinder unter 7 Jahren, kümmern sich um die Pflege von Angehörigen, arbeiten und benötigen dennoch ergänzendes Arbeitslosengeld II, bilden sich weiter oder befinden sich in einer Fördermaßnahme. Bei der Umfrage wurden mehr als 10.000 Hartz-IV Bezieher befragt.

Laut dem IAB sind nur rund 60% der Arbeitslosengeld-II-Empfänger zwischen 15 Jahren und 64 Jahren aktuell überhaupt verpflichtet nach Arbeit zu suchen. Die große Mehrheit von denen bemüht sich um einen Job. Die Erfolge sind aber relativ bescheiden. So hatten in den 4 Wochen vor der Befragung nur etwas mehr als 25% ein Vorstellungsgespräch.

Arbeitsmarkthemmnisse wie eine geringe Qualifikation, eine schlechte Gesundheit, einen Migrationshintergrund oder alleinziehend weisen mehr als 80% der Hartz-IV-Empfänger zwischen 15 Jahren und 64 Jahren auf. In Deutschland gibt es derzeit mehr als 6,5 Millionen Hartz-IV-Empfänger. Davon sind rund 5 Millionen zwischen 15 Jahren und 64 Jahren alt."

Das wird am Bild vom "faulen Hartzler", der dringend mehr "Anreize, um arbeiten zu gehen" brauche, nichts ändern. Vielleicht weil sich das in einer Gesellschaft, die "frei nach Thilo Sarrazin" Menschen von vornherein in Produktive und Unproduktive unterscheidet, auch gar nicht ändern kann.

Sarrazin in der Federal Reserve

Ein Rainer Bonhorst spinnt sich etwas über eine Abschiebung des "Tabubrechers" Thilo Sarrazin in die USA zusammen, dem Land, in dem noch Meinungsfreiheit herrscht.

Stellen wir uns Sarrazin einmal im Vorstand der Federal Reserve vor. Ein Thilo Sarrazin, der mit Reden über unproduktive Afroamerikaner von sich Reden machte. Oder über unqualifizierte lateinamerikanische und asiatische Zuwanderer. Wie wäre man dort verfahren? Richtig, man hätte Sarrazin nach dessen erstem Interview vor einem Jahr bereits umgehend mitgeteilt, dass er sich in der Zentralbank nicht mehr zu blicken lassen brauche.

(hat tip: Marco Kanne)

Samstag, 14. August 2010

Keine Argumente gegen die Homo-Ehe

Der linke Blogger Ezra Klein hat eine sehr schöne Antwort auf den unten verlinkten Artikel von Ross Douthat geschrieben:

A preference for an institution we don't have and aren't moving toward is not good enough to justify legal discrimination in the here and now.

Donnerstag, 12. August 2010

Über die Berufung einer "Chef-Heuschreche"

Über die Berufung von Daniel Akerson zum neuen CEO von G.M.:

Die Ernennung von Daniel Akerson zum neuen Chef von General Motors ist ein faszinierender Beleg, wie unterschiedlich die USA und Deutschland die Spätfolgen der Finanzkrise aufräumen. Die Amerikaner im Zweifel pragmatisch; die Deutschen lieber ideologisch. (....)

Dienstag, 10. August 2010

Vom westlichen Verständnis der Ehe

Der konservative Kolumnist und Blogger Ross Douthat, dessen "op-ed columns" in der New York Times stets sehr lesenswert sind, hat eine kernige Verteidigung der traditionellen Ehe geschrieben. Darin schmeißt er die üblicherweise angeführten Argumente zur Abgrenzung der heterosexuellen Ehe gegenüber der gleichgeschlechtlichen über Bord und definiert den Begriff der Ehe und deren Ideal einfach für sich neu:

The point of this ideal is not that other relationships have no value, or that only nuclear families can rear children successfully. Rather, it’s that lifelong heterosexual monogamy at its best can offer something distinctive and remarkable — a microcosm of civilization, and an organic connection between human generations — that makes it worthy of distinctive recognition and support.

Die Ehe sei eine spezifisch westliche Idee auf jüdisch-christlicher Grundlage, gestärkt von späteren Vorstellungen von romantischer Liebe, den Rechten von Kindern und der Gleichheit der Geschlechter. Und wir seien eventuell dabei, eine große westliche Errungenschaft aufzugeben.
In den USA hat der Artikel eine große Debatte ausgelöst. Mag die heterosexuelle Ehe tatsächlich ein größeres Potenzial in sich bergen, so kann ich dennoch nicht sehen, wo die Möglichkeit der rechtlichen Normierung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften das hinter der Ehe stehende Ideal begraben könnte.

Sonntag, 8. August 2010

A beautiful mind

Via Daily Kos habe ich im Zusammenhang mit der Entscheidung in Kalifornien, das Verbot der Homo-Ehe zu kippen, einen neuen Held gefunden: Ted Olson.

Olson war mir bisher ausschließlich aus der Präsidentschaftswahl 2000 ein Begriff. Damals war er Prozeßbevollmächtigter von George W. Bush vor dem US Supreme Court, der mit einer 4:3-Entscheidung den Floria Recount für verfassungswidrig erklärte und Bush jun. damit den Weg ins Weiße Haus ebnete, worüber ich mich sehr freute.

In dieser Woche hat das Bundesbezirksgericht in San Francisco Proposition 8, das Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe, gekippt. Richter Vaughn Walker hat in einer wegweisenden Entscheidung erklärt, warum die Diskriminierung der Homosexuellen nicht mit der kalifornischen Verfassung in Einklang zu bringen ist. Dazu hat der Politikberater Marc Ambinder die Fakten zusammengetragen - und dies sind nur die Fakten, nicht die juristischen Argumente. Olson nun hat mit seinem ehemaligen Gegner aus dem Verfahren Bush vs. Gore, David Boise, die Kläger in Kalifornien vertreten. Hier findet sich ein Text von ihm, in dem er ein Plädoyer für die gleichgeschechtliche Ehe hält.

Mir wird bewußt, daß Olson, dieser brillante Jurist, der in den Neunzigern wie ich ein starker Kritiker der Clinton-Präsidentschaft war, seit mehr als zehn Jahren einen großen Teil meiner Standpunkte vertritt. Dafür herzlichen Dank.

Der Kampf um die Homo-Ehe jedoch geht weiter.

Samstag, 7. August 2010

Only the good die young

Ein bewegender Nachruf auf den am 31. Mai verstorbenen Torsten Witt.

Ich lernte Torsten im April 1998 in München kennen. Es gab damals im Bund Freier Bürger wohl nur wenige Aktivisten, die mit soviel Engagement und einem dartigen Elan bei und hinter der Sache waren wie er. Sein faszinierendes Wesen dürfte auch der Grund gewesen sein, warum ich mich noch lange über die Bundestagswahlen 98 hinaus für diese Formation einsetzte.

Politisch habe ich von dieser Welt inzwischen sehr, sehr weit entfernt. Wenngleich ich die Verträge von Maastricht und Amsterdam heute noch für Humbug halte, was damals der wichtigste Grund für meine Betätigung war, wüßte ich heute gerne, was außer jugendlicher Naivität und Unreife mich in eine Reihe mit reaktionären Leuten brachte.

Torsten hatte ich seit 1999 nicht mehr gesehen; wir telefonierten im Sommer 2000 das letzte Mal. Er war in den mehr als 20 Jahren seines Engagements der Anziehungspunkt für so viele junge Menschen und der Grund für sie, in Schülerverbindungen und Landsmannschaften aktiv zu werden. Die Nachricht von seinem Tod ist eine sehr traurige.

Ruhe in Frieden.

Montag, 2. August 2010

Jahrestag eines langen Krieges

Wenn vom "Irak-Krieg" die Rede ist, hat man in der Regel die Invasion des Irak durch die von den USA und Großbritannien angeführte Koalition 2003 vor Augen.

Doch der Irak-Krieg begann auf den Tag heute vor 20 Jahren mit der Annexion Kuwaits durch die Truppen des Baath-Regimes. Am 2. August 1990 scheiterte die Realpolitik am Golf, die Politik der Secret Diplomacy. Der 1991 unternommene Versuch, das alte Verhältnis zum Irak wiederherzustellen, scheiterte. Mit der Intervention 2003 und der Beseitigung der Diktatur Saddam Husseins begann schließlich das Ende des Krieges.

Samstag, 31. Juli 2010

Brüssel - Antwerpen - Oostende


Eigentlich wollte ich nach Krakau fahren. "Ich will dir ja keine Angst machen, aber da laufen sehr viele Polen rum, vor allem um diese Jahreszeit" gab mir eine Freundin, die selbst dem Lande der Polen entstammt, zu bedenken. Die Flüge nach Krakau waren auch nicht die gerade die billigsten. Und so oft und gerne ich als Kind mit dem Flugzeug reiste, so oft und gerne fahre ich, seit ich Inhaber der Bahncard100 bin, mit dem Zug. Ich kaufte mir eine Fahrkarte vom Grenzpunkt Aachen Süd bis Brüssel.

Wo ich zwei Tage blieb. Danach bestieg ich einen belgischen Zug und fuhr nach Antwerpen, wo ich zwei Tage blieb. Danach bestieg ich einen belgischen Zug und fuhr nach Oostende, wo ich zwei Tage blieb.

Besonders Antwerpen (Bild), die Hauptstadt Flanderns, fand meinen Gefallen. Was für ein schöner Bahnhof! Was für ein schöner Stadtpark! Was für eine schöne Fußgängerzone! Was für ein schönes Rathaus! Was für eine wunderschöne Kathedrale! Was ein Hafen!
Ach ja, und Ooostende ist häßlich. Von grauen Betonklötzen zerschandelt. Das stand auch in meinem Reiseführer, den ich mir erst gekauft hatte, als das Hotel bereits reserviert war. Aber wichtig ist mir das Meer. Oh ja.

Freitag, 30. Juli 2010

"Hühnerauge, sei wachsam"

In bezug auf das konkret 07/2010 erschienene Interview mit Tilman Spengler zur Bundespräsidentenwahl schreibt Thorsten Kraechan einen treffenden Kommentar in Form eines Leserbriefs:

Der "duck test" geht bekanntlich so: "If it looks like a duck, and quacks like a duck, then it probably is a duck." Der Gauck-Test geht so: Wenn etwas wie ein NS-Relativierer aussieht, als NS-Relativierer dem revisionistischen Mainstream voranschwimmt, und dabei unentwegt wie ein NS-Relativierer quatscht, dann ist es vermutlich ein NS-Relativierer. Tilman Spengler quakt dagegen: "Aber ich halte das Zitat, dessen Zusammenhang ich nicht kenne, für einen Aufruf gegen eine Nostalgie gegenüber der DDR."

Um Jack Nicholson aus dem Film "The Witches of Eastwick" zu zitieren: "Natürlich werde ich einen Schmuckreiher nicht mal erkennen, wenn ich auf einen pissen würde." Das geht Tilman Spengler bei Vögeln wie dem revisionistischen Schmierfink Gauck genauso.

(konkret 08/2010)

Münchener Verhältnisse

Es ist offenbar kaum möglich, in München eine proisraelische Veranstaltung durchzuführen. Das war vor zwei Wochen zu erleben, als ein Vortrag von Justus Wertmüller, Redakteur der Zeitschrift Bahamas, zum Thema "Warum es um Israel geht - und nicht um Völker, Kulturen und Gemeinschaften" im Neokeller angekündigt war. Der Neokeller stehe uns nicht zur Verfügung, sagte mir ein Freund aus München 48 Stunden vor Veranstaltungsbeginn. Der Vortrag wurde noch an dem Abend in das Lokal "Goldener Hirsch" verlegt. Doch 145 Minuten vor Eröffnung - ich war bereits in München -klingelte bei besagtem Freund das Handy: Auch im Goldenen Hirsch könne die Veranstaltung nicht stattfinden. Bei dem Gastwirt seien Anrufe eingegangen, bei den Veranstaltern handele es sich um Rassisten, der Inhaber vom "Goldenen Hirsch" befürchte nun ökonomische Einbußen. In den darauffolgenden 20 Minuten gelang es noch, den Vortrag schließlich in den Löwenbräukeller zu verlegen. Diese Raumänderung konnte schließlich (und logischerweise) nicht mehr in den Social Networks bekanntgegeben werden. Ein Wunder, dass dennoch an die 70 Leute zur Veranstaltung umgeleitet werden konnten.

Der Vortrag wurde mitgeschnitten und steht hier zur Verfügung. An den Vortrag schlossen sich übrigens für mich die schönsten 24 Stunden an, die ich bisher in der bayerischen Landeshauptstadt genießen durfte. Und außerdem weiß ich jetzt auch, wer Edwin Erich Dwinger ist.

UPDATE(08.08.2010):
Bericht des Veranstalters

Donnerstag, 29. Juli 2010

Zitat des Tages

"Wenn sie dafür ihre Dienstwagen behalten dürfen, genehmigen die Grünen fünf neue Atomkraftwerke und erklären Rußland den Krieg."

-Hermann L. Gremliza zur schwarz-grünen Koalition in Hamburg nach dem Rücktritt Ole von Beusts.

Sonntag, 18. Juli 2010

Wird Jeb Bush Präsident? Oder George P. Bush?

Nach den Kongreßwahlen im kommenden November dürfte die Diskussion um den Präsidentschaftskandidaten der Republikaner in ihre entscheidende Phase treten. Bereits im sommer kommenden Jahres werden die Debatten zwischen den einzelnen Bewerbern beginnen.
Von Sarah Palin als möglicher Kandidatin ist bereits seit der für sie verlorenen Wahl 2008 die Rede. Mitt Romney galt bisher der Favorit, da er bei den Vorwahlen 2008 als die Nr. 2 aus dem Rennen. Anders als bei den Demokraten, die Verlierer in der Regel nicht mehr nominieren, gibt es bei den Republikanern eine alte Tradition, den zu berücksichtigen, der es das letzte Mal nicht geschafft hat.

Der Stratege Simon Rosenberg hält Jeb Bush, ehemaliger Gouverneur von Florida, für den aussichtsreichsten Kandidaten, der Obama gefährlich werden könnte. Das mag zunächst unverständlich erscheinen. Warum soll ein Mann mit einem nach wie vor so unpopulären Bruder gute Chancen haben, Präsident zu werden, wo doch außerdem schon zwei aus der Familie im weißen Haus waren.

Aber man halte sich vor Augen: Ohne einen Bush haben die Republikaner das letzte Mal 1972 eine eine Präsidentschaftswahl gewonnen; ohne einen Bush oder Nixon 1928. Vielleicht braucht man wirklich einen Bush zum Sieg, und vielleicht wird es wieder einen Präsidenten Bush geben, sei es 2012, 2016 oder 2020. Und wenn nicht Jeb, dann vielleicht sein Sohn George P. Bush 2032?

Mittwoch, 14. Juli 2010

Bushido: wie gut es uns geht während der WM


Christian Soeder verweist auf ein SPIEGEL-Interview mit Bushido, der im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft ein paar Bemerkungen zur Integration macht, die ich für genauso richtig wie Christian halte. Mir springt ein Satz ins Auge.


Bushido: Ja, aber ich finde es schade, dass wir unser Land kleiner machen, als es ist. Sehen Sie mal, wie gut es uns geht während der WM: nicht wirtschaftlich, ich meine, im Kopf, im Herzen, in der Psyche. Wir sind befreit. Wir können unsere Flagge aus dem Fenster hängen, wir können sie ans Auto hängen. Niemand wird dich blöd angucken oder für einen Nazi halten.


Im Herzen und in der Psyche befreit. So befremdlich ich überhaupt die Tatsache finde, daß sich während einer WM zahlreiche Leute für Fußball zu interessieren beginnen, die mit ihm sonst rein gar nichts anfangen können, so sehr frage ich mich gerade nach dem, was ein solches WM-Ereignis zu etwas Befreiendem macht.

Ja, die Begeisterung für ein bestimmtes Team, für den ein oder anderen Spieler kann aufbauen und Alltagsfrustrationen vergessen machen, wie derlei "Spiele" in jedem Sport eben als Ablenkung von der Tristesse des Daseins oder dem eigenen Elend taugen. genauso kann der Enthusiasmus umschalgen in eine Vertiefung der eigenen Aggressionen und Unzulänglichkeit. Der Fan empfindet die Niederlage des favorisierten Teams nicht einfach nur als Enttäuschung, sondern als persönliche Niederlage, als sein eigenes Scheitern. Wer in den letzten Tagen und Wochen auf feiernde Spanier einprügelte, Müll auf Straßen verteilte oder Scheiben einschlug, fühlte sich offensichtlich nicht befreit. Soweit muß man aber gar nicht gehen: Auch wer trotzig reagierte und wieder einmal den "Weltmeister der Herzen" oder den "eigentlichen Weltmeister" halluzinierte, war offensichtlich nicht einfach nur enttäuscht.

Und ganz grundsätzlich richten sich gerade im Fußball "Fans" oft mit ihrer Leidenschaft zugrunde. Ich hatte in den 90ern einen Mitschüler, der so eingenommen war von seinem SV Waldhof Mannheim, an nichts anderes denken konnte, daß diese Manie ihn letztlich um sein Abitur brachte.

Was aber die Leidenschaft für das Team in Europa- und Weltmeisterschaften zusätzlich interessant oder vielleicht eben auch problematisch macht, ist die Frage der nationalen Zugehörigkeit. Vor zwei Jahren freuten sich kurz vor Beginn der EM beim letzten Freundschaftsspiel in einer Kneipe ein Kollege und ich darüber, daß Weißrussland gegenüber Deutschland in Führung ging. Schon wurden wir angepöbelt: Wir würden offensichtlich im falschen Land leben. Dabei war der Grund für unsere Freude eigentlich nur, daß wir vorher darauf gewettet hatten. Die Erwartung, dass nationale Zugehörigkeit zwingend zur Identifikation mit einem Fußballteam führen muß, scheint also weit verbreitet zu sein. In der vergangenen Woche schrieb ein Freund nach der deutschen Niederlage gegen Spanien, er sei zu einem kleinen Teil Holländer und zweimal gegen Spanien verlieren wolle er nicht. Manche meinen, wenn nichts anderes rettendes mehr bleibt, sich also an ein Team klammern zu müssen, weil ein Urgroßvater wohl der dahinter stehenden Nation entstammte. Wie befreit sie sein müssen...
Im Deutschen Nationalteam spielen Männer mit "Migrationshintergrund", die Paradebeispiele sind für gelungene Integration. Und die sich selbstverständlich sich als Angehörige dieser Republik fühlen, wie der homophobe Rapper aus der deutschen Hauptstadt richtig beschreibt. Konnte man während der Beckenbauer-WM 1990 kurz vor der Wiedervereinigung noch berechtigt Angst vor der Tendenz diverser Fans zu völkischem Größenwahn haben, der sich anfang der 90er in Angriffen auf Asybewerberheimen dann auch zeigte, so lebt heute in einer anderen Welt, wer im Partyzirkus von 2006 und 2010 ernsthaft die braune Volksgemeinschaft wittert. Dennoch ist jemand, der sich über eine deutsche Niederlage erleichtert zeigt, vielleicht auch nur jemand, der sich gar nicht erst in den Sog von befreienden und beengenden Spielen hineinziehenlassen und in der nächsten Nacht ungestört schlafen will. Weiterhin bleibt Kritik an den WIR-Überhöhungen auch in Zukunft ganz angemessen. Und Bushido bleibt ein Brechmittel, das ich nicht als gelungenes Beispiel von Integration anführen würde.

Donnerstag, 29. April 2010

Verharmlosung des Völkermordes an den Armeniern - offener Brief zu einer achgut-Veröffentlichung

(19.04.2010) - Am 24. April jährt sich zum 95. Mal der Beginn des jungtürkischen Völkermordes an den Armeniern. Im Unterschied zur Französischen Republik und einer Reihe weiterer Staaten, die sich offiziell zur historischen Tatsache des Völkermordverbrechens am armenischen Volk bekennen, ist von der Bundesrepublik Deutschland auch in diesem Jahr keine adäquate Würdigung der armenischen Opfer zu erwarten.

Mit großer Empörung haben wir in diesem Zusammenhang feststellen müssen, daß die "Achse des Guten" am 15. März einen Artikel als "Fundsache" empfahl, in dem der völkermörderische Charakter des Armeniermordes offen geleugnet wird
(siehe: http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/der_wohlfuehl_antisemitismus_der_taz/ ):
"Der Wahnsinn des Antisemitismus, der ihn von allen anderen Verfolgungs- und Ermordungsgeschichten der Menschheitsgeschichte trennt, ist der Mord an einem ganzen Volk. Es ist kein begrenzter Massenmord wie in Ruanda, gegen die Armenier oder in Darfur im Sudan, so unfassbar schrecklich die dortigen Morde waren und sind. Der genozidale Zug des Antisemitismus macht ihn so unvergleichlich."

Wenn es der "genozidale Zug" ist, der den Antisemitismus unvergleichlich macht, so ist - in der Logik des Autors Dr. Clemens Heni - der jungtürkische Antiarmenismus keine genozidale Ideologie, und selbst die systematische Ermordung der Armenier im Osmanischen Reich in den Jahren 1915-17 wäre als eine Art "Völkertotschlag" zu verorten, dem eine genozidale Absicht gefehlt habe. Im Einklang mit den "moderateren" Stimmen innerhalb der türkischnationalen Geschichtspolitiker und ihrer Apologeten werden Massenmorde an Armeniern zwar nicht in toto geleugnet, wohl aber deren Ausmaß und vor allem die Qualität einer Verfolgungspolitik in Abrede gestellt, die sehr wohl auf die physische Auslöschung der Gesamtheit eines Volkes gerichtet war.

Heni verkennt den engen historischen Zusammenhang zwischen jungtürkischem Armenier- und nationalsozialistischem Judenmord, wie ihn Ralph Giordano, wie folgt, vor Augen führt: "Am 22. April 1939, also am Vorabend des von ihm und dem nationalen Kollektiv seiner Anhänger vorsätzlich vom Zaun gebrochenen Zweiten Weltkriegs, erklärte Adolf Hitler den versammelten Kommandeuren der SS-Todesschwadronen und einer höchst willfährigen Wehrmachtsgeneralität: ‚Ich habe meine Totenkopfverbände bereitgestellt mit dem Befehl, unbarmherzig und mitleidslos Mann, Weib und Kind polnischer Abstammung und Sprache in den Tod zu schicken. Nur so gewinnen wir den Lebensraum, den wir brauchen.’ Und dann:'WER REDET DENN HEUTE NOCH VON DER VERNICHTUNG DER ARMENIER?'"

Neben dem Genozid-Charakter des Armeniermordes verharmlost Heni, indem er den "genozidalen Zug" einer Ideologie als für den Antisemitismus spezifisch erklärt, implizit auch Völkermord-Verbrechen, die die Nazis und ihre Verbündeten an Nicht-Juden verübten: den Massenmord an Sinti und Roma, die Vernichtungspolitik gegenüber slawischen Völkern, manifestiert etwa in der Ermordung von Millionen russischer Kriegsgefangener, die Auslöschung der Serben durch die kroatischen Hitler-Kollaborateure, für die das Vernichtungslager Jasenovac steht.

Fazit: Heni redet nicht nur einem anti-armenischen Negationismus das Wort, gegen den türkische Demokraten in ihrer Heimat mit großem Mut Stellung nehmen - und von dessen Propagandisten auch hierzulande Ralph Giordano mit antisemitischen Verleumdungen und Gewaltaufrufen überzogen wurde. Vielmehr trägt er objektiv auch dazu bei, einen Teil der NS-Völkermordverbrechen als solche auszublenden.

Wir wissen, daß Heni in dieser Hinsicht nicht für achgut spricht; das Engagement Henryk M. Broders für eine Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern durch die Türkei ist uns bewußt. Gerade deshalb sind wir erschüttert über den Umstand, daß Fürsprechern des nationalchauvinistischen türkischen Negationismus auf der "Achse" ein Forum geboten wurde.

Mark P. Haverkamp
Daniel Leon Schikora
Alex Zuppi

Samstag, 10. April 2010

Reaganomics im 21. Jahrhundert

§111: Es werde fortgebloggt. Fangen wir an mit einem Zitat, über das ich gerade gestolpert bin:

Proposing Reaganite solutions for a situation radically different than the late 1970s is not conservative. It's a form of neurotic religion. Reagan wouldn't have supported it.

-Andrew Sullivan in einem kurzen Text über David Frum und den Zustand des US-amerikanischen Konservatismus.
Korrekt. Das kann ich nicht oft genug sagen. Viel zu viele Konservative und Libertäre hängen noch irgendwo in den 80ern und leben in der Ära des Thatcherismus und der Reagonomics, in der Steuersenkungen tatsächlich noch ein wirksames Mittel waren. Hey, wir haben 2010.

Montag, 1. März 2010

Zwei Jahre

Power of Will wird heute zwei Jahre alt. Auch wenn im zweiten Jahr hier weitaus weniger los war als im ersten, so bin ich des Bloggens doch noch lange nicht müde. Ich weiß allerdings durchaus, daß Layout und Präsentation sehr zu wünschen übrig lassen. Umzug und Neugestaltung dieses Blogs sind überfällig. Und ich will versuchen, in den nächsten zwei bis drei Monaten meine Hausaufgaben zu machen.

Doch heute ein kühles Jever auf dieses Weblog, das es vielleicht doch wert ist, manchmal angeschaut zu werden.

Samstag, 27. Februar 2010

Das metaphysische Eichhörnchen - Wilhelm Genazino in Mannheim


Eine schwere Ente steht auf einem Bein mit geschlossenen Augen mitten in der Stadt und schläft. Er nähert sich ihr und stellt fest, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Das Tier schläft. Das gibt es doch gar nicht! Dass hier einfach so eine Ente auf einem Bein steht und schläft. Wenn ich nur einmal auf einem Bein stehen und dabei schlafen könnte, dann hätte ich an das Leben keine Ansprüche mehr.


Es ist eine dieser heiteren Szenen aus dem neuen, noch nicht erschienenen Roman von Wilhelm Genzino, die das Publikum an diesem Abend in die Leichtigkeit des Seins versetzen, in das Genzinosche Werk hineinziehen, es mitten in der Welt des Schriftstellers umherwandern lassen. Der Roman, der noch keinen mitteilbaren Titel hat, dreht sich um einen Architekten, Anfang 40, nicht mehr verheiratet und mit einer Maria liiert. Sein Freund Michael Autz (?), der ihn immer mit Aufträgen versorgte, ist gerade (im gleichen Alter wie er), auf einer Couch liegend entweder an einem Herzschlag oder an einem Herzinfarkt gestorben. Dadurch rutscht der Protagonist aus seiner eigenen Gebraucht-Welt in ein echtes Gebraucht-Leben hinein. Er bandelt mit Karin, der Frau des verstorbenen Freundes an, eine Gebraucht-Frau sozusagen, übernimmt schließlich auch noch den Job des Freundes, erhält also einen Gebraucht-Arbeitsplatz, und fährt den Wagen des Freundes, einen Gebrauchtwagen. In welchem er mit Karin zusammen die Kunstausstellungen besuchen fährt, die eigentlich auf der Agenda von Karin und ihres verstorbenen Mannes standen. Er sieht, dass er nun auch noch dieses Programm absolviert.

"Würden Sie sagen, dass dieser Protagonist exemplarisch für ihre Figuren in ihrem Werk ist oder steht der eher außerhalb der Reihe?" fragte Moderator Thomas Gross Genziano in der anschließend folgenden Diskussion zuerst. "Och, ich glaube, der passt da ganz gut rein," antwortete der. "Ja sehr" stimmt eine Genazino-Kennerin in den vorderen Reihen nickend zu.

Es sind vornehmlich mittlere Angestellte, die Genzino in seinen Romanen beschreibt, von denen ich den Lesern dieses Artikels seit dem 2001 erschienen Publikumserfolg Ein Regenschirm für diesen Tag wirklich jeden dringend ans Herz legen kann. Über eine Empfehlung des Literarischen Quartetts war auch ich damals auf Genzino aufmerksam geworden. Manche seiner Helden haben Ausnahmeberufe wie "Tester für Luxusschuhe" oder "Apokalypse-Experte", aber sie alle hängen in der Luft, sind sich selbst abhanden gekommen, wenn sie denn je bei sich waren, verlieren sich in Beobachtungen immer auf der Suche nach Momenten der Daseinsgewißheit, wie sie in dem neuen Roman, der sich noch in Arbeit befindet, in der Szene mit der stehenden Ente einen so schönen Ausdruck findet. Genazino charakterisiert seine Helden denn auch schon sehr zu Beginn mit dem unnachahmlichen Zitat aus dem Werk des wunderbaren Dramatikers Ödon von Horvath: "Ich bin nämlich eigentlich ganz anders, aber ich komme so selten dazu." Seine Figuren sind eigentlich auch ganz anders.

Warum aber werden sie sich dann so fremd? Genazino erklärt selbst, dass sich sein Blick auf das Problem in den letzten Jahrzehnten verändert hat. Glaubte er als Autor der 1977 erschienenen Abschaffel-Trilogie noch, dass die Gesellschaft in ihrer Gestalt als Monster die alleinige Schuld an der Entfremdung des Einzelnen habe, interessiert er sich heute vor allem für "die verhüllte Selbstbeteiligung des Subjekts an seinem Unglück." Und diese auf etwas düstere Weise phänomenalen Bestandteile der Persönlichkeit werden im neuen Roman bspw. an dem Personalausweis eines Fremden verdeutlicht, den er noch vor dem Tod seines Freundes gemeinsam mit ihm gefunden hatte. Und mit dem er sich postlagernd bereits einen Toaster und ein Bügeleisen bestellt hat. Dieses Der-Wirklichkeit-eine-Schnippe-schlagen übt dann doch eine so große Faszination auf jemanden aus, der es weder von seiner intellektuellen Veranlagung noch seiner materiellen Situation her nötig hätte, dass er sich entgleitet. Es ist dieser "Widerspruch des Subjekts" (Adorno), den Genazino in seinen Büchern immer wieder hervortreten lässt. Die Figur weiß genau, was sie nicht will, aber dadurch, dass sie es so genau weiß, bringt sie es "hintenrum" ständig neu hervor. Es ist dieser Widerspruch des Subjekts mit sich, der auch die Hauptfigur des neuen Romans, aus dem Genazino an diesem Freitag, den 26. Februar 2010 in der Alten Feuerwache in Mannheim liest, dazu bringt, obwohl er sich doch außer einem neuen Wasserkocher noch ein Bett kaufen wollte, schließlich einen Fertigsalat zu kaufen. Einen Fertigsalat, den er schließlich in seine Fertigwohnung mitnimmt, wo er in seinem Fertigbett einen Fertigschlaf absolvieren wird. Das Publikum lacht.

"Wissen Sie ich komme ja auch viel rum in Büros..beim Rundfunk, für den ich arbeite, das gibt es wirklich, es gibt Frauen, die gehen in die Mittagspause und kaufen sich einen Fertigsalat und dann sitzen sie an ihrem Schreibtisch und dann essen sie da ihren Fertigsalat," sagt Genzino. Er sehe natürlich auch die Nähe zur Komödie, das Lachen des Publikums bestätige es ihm, aber komisch sei das nicht. Das sei eher eine milde Bitterkeit. Und zart-bitter ist die Erfahrung dieser Figuren auch für den Leser, wobei aber doch gerade diese Literatur Selbstverluste teilweise wieder einholt. Das erkennt auch der Moderator, der sonst sich selbst mit einem etwas nervig-monotonen Tonfall im Mannheimer Lingo manchmal unnötigerweise auch ein bißchen zu sehr darstellt, und will wissen, ob die "Schule der Besänftigung", die in einem der letzten Bücher eine Romanfigur eröffnen wollte, nicht auch eine passende Beschreibung eines Teils des Genazinoschen Anliegens sein könne. Er sehe das Sektiererische darin, antwortet Wilhelm Genazino, aber "der Idee nach ja."

Der 1943 in Mannheim geborene Schriftsteller gleiche ja auch seinen Figuren insofern, als er auch viel spazieren gehe und sich seine Bebachtungen notiere; ob ihm auf dem Weg zur Alten Feuerwache auch eine Besonderheit aufgefallen sei, fragt Thomas Gross, der das Gespräch offenbar noch unbedingt auf die Kurpfalz lenken will. Es gebe da ja diese verkümmerte Grünanlage am Mannheimer Nationaltheater, dort habe er ein Eichhörnchen gesehen, sagt Genazino zögerlich. Ein Eichhörnchen in einer Situation der Not, es regnete, er hatte einen Schirm, das Eichhörnchen nicht, und für einen kurzen Moment sah es ihn an, erschrak und versuchte einzuordnen, ob er eine Gefahr darstelle oder nicht, und da habe er das Gefühl gehabt: Eine Einzelheit spricht mit mir. Ein Eichhörnchen, aus dem in dieser Sekunde der alltägliche Wahnsinn spricht, von dem es nichts weiß. Ein metaphysisches Eichhörnchen. Auch er sei eigentlich ein solches metaphysisches Eichhörnchen. Und irgendwie als solche werden auch die Besucher aus dem Abend mit diesem herausragenden Erzähler entlassen. Auf der Suche nach Schutz vor der strukturellen Gewalt dieser Welt und irgendeiner Daseinsgewißheit. Wenn man nur einmal wie eine Ente auf einem Bein stehend schlafen könnte.

Mittwoch, 17. Februar 2010

Ein Ungleichgewicht hat zwei Seiten

"Ich bin immer erstaunt, wie selbst intelligente Menschen oft nicht verstehen, dass ein Ungleichgewicht - ob nun im Euro-Gebiet oder international - logischerweise eine Entwicklung ist, die zwei Parteien betrifft. Das Problem der Weltwirtschaft im letzten Jahrzehnt war nicht allein das amerikanische Leistungsbilanzdefizit, sondern genauso die chinesischen und deutschen Überschüsse. Die Ungleichgewichte im Euro-Gebiet bestehen aus südeuropäischen Defiziten, spanischen vor allem, und deutschen Überschüssen. In Deutschland tendiert man immer dazu, Ungleichgewichte mit Defiziten gleichzusetzen."


Wolfgang Münchau

Sonntag, 14. Februar 2010

Steigende Durchschnittstemperatur

Immer wieder ist die falsche Behauptung zu hören, in den letzten zehn Jahren sei es nicht mehr wärmer geworden. Heute zum Beispiel im Tagesspiegel

Unstrittig ist eigentlich nur, dass es in den vergangenen zehn Jahren nicht
mehr wärmer geworden ist und 1998 das wärmste Jahr der Aufzeichnungen war.

Richtig ist, daß 98 das bisher wärmste Jahr war. Das bedeutet aber noch lange nicht, daß es seitdem nicht wärmer würde. Die Durchschnittstemperatur der Nuller liegt höher als die der Neunziger.

Samstag, 13. Februar 2010

HB-Männchen Westerwelle

Für Westerwelles Verhalten, das für soviel Wirbel sorgt, gibt es eine simple Erklärung.
Er ist nicht regierungsfähig, nicht imstande, die Geschäfte des obersten Diplomaten durchzuführen. Das wird ihm bewußt und frustriert ihn. Außenpolitik war nie das Steckenpferd dieses Mannes, von dem in der Opposition wenig zu hören war, was nicht mit der Phrase "Der Bürger muß entlastet werden" ausreichend beschrieben gewesen wäre. Weil er als Außenpolitiker nichts kann, nichts hermacht, nichts tut, haut er innen- und sozialpolitisch umso lauter auf den Tisch.

Das Theater wird sich zunächst wieder legen, aber bald auch schon wieder zurückkehren.

Donnerstag, 21. Januar 2010

Komm zur Ruhr

Zu dem Sänger kann man stehen, wie man will - bei diesem Lied werde ich doch sehr wehmütig.

Warum höre ich eigentlich in Bezug auf Ruhr 2010 bisher fast nur etwas von Essen? Liegt das an mir?

Montag, 18. Januar 2010

"Spannung von Finsternis und Licht" - Frau Käßmann und der 9. November


Die EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann hat an Weihnachten in einem Interview mit der Berliner Zeitung ihre mangelnden Geschichtskenntnisse unter Beweis gestellt. Dies ist an verschiedenen Stellen bereits sehr treffend kommentiert worden.


Schockierender als ihre jüngsten Auslassungen war aus meiner Sicht vor zwei Monaten ihre Forderung, der 9. November solle den 3. Oktober als Deutschen Nationalfeiertag ersetzen.


"Der Wille zur Freiheit, der Mut Einzelner, aufzustehen gegen Unterdrückung
und Unrecht, sie kommen an diesem Tag zum Ausdruck", sagte sie am Montagabend in
Hannover in einem Dankgottesdienst zur Erinnerung an die Grenzöffnung vor 20
Jahren: "Während wir jeden 3. Oktober umständlich zu erklären versuchen,
was es mit diesem Datum auf sich hat, versteht sich der heutige Tag von
selbst."




Käßmann bezeichnete den Fall der Mauer als Wunder: "Dass Gebete und Kerzen
eine Diktatur in die Knie zwingen könnten, haben wir manchmal ja selbst nicht zu
hoffen gewagt", sagte die hannoversche Landesbischöfin. Die Einheit sei möglich
geworden durch eine Revolution ohne Blutvergießen. Der 9. November erinnere aber
auch an die Reichspogromnacht 1938 gegen die Juden, den Hitler-Putsch in München
1923, die Abdankung des deutschen Kaisers 1918 und den Niedergang des
bürgerlichen Revolution 1848. Die "Spannung von Finsternis und Licht" sei an
diesem Tag besonders greifbar.


(Hervorhebungen von mir)

Was ist umständlich daran zu erklären, was es mit dem 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit, auf sich hat? Wenn der 9. November Deutscher Nationalfeiertag wäre, warum verstünde sich dieses Datum dann von selbst? In Wirklichkeit verhält es sich wohl eher umgekehrt.

Für Frau Käßmann wäre der 9. November deshalb der geeignete Feiertag, weil er den Fall der Berliner Mauer repräsentiert und damit Ausdruck von Freude ist. Die weiteren Daten fügt sie einfach an: "Das war an dem Tag auch noch." Daraus ergibt sich ein Problem, das sie schließlich mit einer Phrase verklärt.

So überrascht es ganz und gar nicht, dass sie im oben genannten Interview mit der BZ es bezweifeln kann, ob die Alliierten unbedingt in den vom Dritten Reich ausgegangenen Krieg hätten eingreifen müssen, um noch im selben Atemzug zu fragen, warum denn die gleise nach Auschwitz nicht bombardiert worden seien. Der Lauf der Geschichte ist ihr einfach egal. Sie versteht es geradezu als ihre Aufgabe, Geschichte zu verschleiern, mit einem vollkommen leeren Friedensbegriff zuhantieren, um bei ihrem Publikum die Friedenssehnsucht zu wecken, Indifferenz gegenüber dem wirklichen Geschehen zu sichern und zu mehren.

Sonntag, 17. Januar 2010

Solidarität mit Fred Alan Medforth

Hiermit schließe ich mich dem Protest von Daniel Schikora gegen die Einschüchterung des Bloggers Fred Alan Medforth an. Sein Blog Jihad Watch Deutschland ist einmal wieder Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen.

Sonntag, 10. Januar 2010

Bill Clintons Rassismus

In dem neuen Buch Game Change über den US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 2008 enthüllen John Heilemann und Mark Halperin, was Bill Clinton zu Ted Kennedy, der später seine Unterstützung für Barack Obama während der Vorwahlen bekanntgab, Kennedys Erinnerungen zufolge gesagt haben soll:

"Noch vor wenigen Jahren hätte dieser Typ uns den Kaffee gebracht."

Das wäre freilich nicht die einzige rassistische Bemerkung des ehemaligen US-Präsidenten aus dem amerikanischen Vorwahlkampf.

Und sie fügt sich in eine Reihe von weiteren Kommentaren demokratischer Politiker. Erst vor zwei Tagen mußte Senator Harry Reid sich entschuldigen, der vor der Wahl geschrieben hatte, Obama werde möglicherweise der erste afro-amerikanische Präsident, weil er hellbraun sei und über keinen "Negerdialekt" verfüge.

Rassismus ist Alltag in der von den Europäern bevorzugten amerikanischen Partei.

Samstag, 2. Januar 2010

Vorhersagen für 2010

  • Nuschel-Rüttgers gewinnt die Landtagswahlen in NRW, die SPD bleibt das ganze Jahr auf einem Umfrage-Niveau von knapp über 20 %.
  • Die US-Demokraten verlieren bei den Kongreßwahlen 30 Sitze im Repräsentantenhaus. Ihre Mehrheit im Senat schrumpft auf 57 Sitze. John McCain wird wiedergewählt.
  • Die US-Wirtschaft wächst mit 2,2%, die deutsche Wirtschaft mit 1,5%.
  • Der Häusermarkt in den USA verschlechtert sich nochmals. Die Preise sinken um 0,5%.
  • Barack Obama wird Anfang Feburar die unpopuläre Gesundheitsreform unterzeichnen.
  • Trotz stagnierender oder leicht zurückgehender Arbeitslosigkeit werden Obamas Zustimmungswerte weiter sinken.
  • Vom "Krieg im Irak" wird so gut wie nichts mehr zu hören sein. Die US-Truppen werden bis August auf 50.000 Mann reduziert.
  • Afghanistan: das übliche Chaos
  • Über den Klimawandel wird an allen Fronten weiterschwadroniert. Passieren wird nichts.
  • Werder Bremen wird Deutscher Meister
  • Die USA besiegen in der WM-Vorrunde England. Deutschland wird Fußball-Weltmeister 2010

 
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