(19.04.2010) - Am 24. April jährt sich zum 95. Mal der Beginn des jungtürkischen Völkermordes an den Armeniern. Im Unterschied zur Französischen Republik und einer Reihe weiterer Staaten, die sich offiziell zur historischen Tatsache des Völkermordverbrechens am armenischen Volk bekennen, ist von der Bundesrepublik Deutschland auch in diesem Jahr keine adäquate Würdigung der armenischen Opfer zu erwarten.
Mit großer Empörung haben wir in diesem Zusammenhang feststellen müssen, daß die "Achse des Guten" am 15. März einen Artikel als "Fundsache" empfahl, in dem der völkermörderische Charakter des Armeniermordes offen geleugnet wird
(siehe: http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/der_wohlfuehl_antisemitismus_der_taz/ ):
"Der Wahnsinn des Antisemitismus, der ihn von allen anderen Verfolgungs- und Ermordungsgeschichten der Menschheitsgeschichte trennt, ist der Mord an einem ganzen Volk. Es ist kein begrenzter Massenmord wie in Ruanda, gegen die Armenier oder in Darfur im Sudan, so unfassbar schrecklich die dortigen Morde waren und sind. Der genozidale Zug des Antisemitismus macht ihn so unvergleichlich."
Wenn es der "genozidale Zug" ist, der den Antisemitismus unvergleichlich macht, so ist - in der Logik des Autors Dr. Clemens Heni - der jungtürkische Antiarmenismus keine genozidale Ideologie, und selbst die systematische Ermordung der Armenier im Osmanischen Reich in den Jahren 1915-17 wäre als eine Art "Völkertotschlag" zu verorten, dem eine genozidale Absicht gefehlt habe. Im Einklang mit den "moderateren" Stimmen innerhalb der türkischnationalen Geschichtspolitiker und ihrer Apologeten werden Massenmorde an Armeniern zwar nicht in toto geleugnet, wohl aber deren Ausmaß und vor allem die Qualität einer Verfolgungspolitik in Abrede gestellt, die sehr wohl auf die physische Auslöschung der Gesamtheit eines Volkes gerichtet war.
Heni verkennt den engen historischen Zusammenhang zwischen jungtürkischem Armenier- und nationalsozialistischem Judenmord, wie ihn Ralph Giordano, wie folgt, vor Augen führt: "Am 22. April 1939, also am Vorabend des von ihm und dem nationalen Kollektiv seiner Anhänger vorsätzlich vom Zaun gebrochenen Zweiten Weltkriegs, erklärte Adolf Hitler den versammelten Kommandeuren der SS-Todesschwadronen und einer höchst willfährigen Wehrmachtsgeneralität: ‚Ich habe meine Totenkopfverbände bereitgestellt mit dem Befehl, unbarmherzig und mitleidslos Mann, Weib und Kind polnischer Abstammung und Sprache in den Tod zu schicken. Nur so gewinnen wir den Lebensraum, den wir brauchen.’ Und dann:'WER REDET DENN HEUTE NOCH VON DER VERNICHTUNG DER ARMENIER?'"
Neben dem Genozid-Charakter des Armeniermordes verharmlost Heni, indem er den "genozidalen Zug" einer Ideologie als für den Antisemitismus spezifisch erklärt, implizit auch Völkermord-Verbrechen, die die Nazis und ihre Verbündeten an Nicht-Juden verübten: den Massenmord an Sinti und Roma, die Vernichtungspolitik gegenüber slawischen Völkern, manifestiert etwa in der Ermordung von Millionen russischer Kriegsgefangener, die Auslöschung der Serben durch die kroatischen Hitler-Kollaborateure, für die das Vernichtungslager Jasenovac steht.
Fazit: Heni redet nicht nur einem anti-armenischen Negationismus das Wort, gegen den türkische Demokraten in ihrer Heimat mit großem Mut Stellung nehmen - und von dessen Propagandisten auch hierzulande Ralph Giordano mit antisemitischen Verleumdungen und Gewaltaufrufen überzogen wurde. Vielmehr trägt er objektiv auch dazu bei, einen Teil der NS-Völkermordverbrechen als solche auszublenden.
Wir wissen, daß Heni in dieser Hinsicht nicht für achgut spricht; das Engagement Henryk M. Broders für eine Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern durch die Türkei ist uns bewußt. Gerade deshalb sind wir erschüttert über den Umstand, daß Fürsprechern des nationalchauvinistischen türkischen Negationismus auf der "Achse" ein Forum geboten wurde.
Mark P. Haverkamp
Daniel Leon Schikora
Alex Zuppi
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