Donnerstag, 8. Januar 2009

Der Volkswirt

Die Ökonomik ist heute eine fast rein mathematische Disziplin, weiß Philip Plickert, der zur selben Zeit Volkswirtschaftslehre studierte wie ich (also vor kurzem erst).

Mit entsprechenden Folgen. Ich habe einmal beobachtet, wie Studenten, die das mathematische Rüstzeug beherrschten, an einer Pflichtfachklausur scheiterten, bei der großen Wert darauf gelegt worden war, komplexe ökonomische Zusammenhänge verbal zu erklären. Nicht zuletzt deshalb dürften sich Ökonomen oftmals damals schwertun, im Alltag Stellung zu gerade vieldiskutierten wirtschaftlichen Themen zu beziehen, weil sie selbst gar nicht verstanden haben, was sie in Prüfungen analytisch eigentlich gezeigt haben.

In Heidelberg wurde kurz nachdem ich dort ins Hauptstudium kam der Lehrstuhl für Wirtschaftsgeschichte geschlossen. Von ökonomischer Dogmenhistorie dürfte wirklich nur ein Bruchteil der Absolventen meiner Generation etwas Ahnung haben. Aber die Fakultät in Heidelberg unterschied sich positiv von der benachbarten, rein formal orientierten in Mannheim, die freilich in Deutschland ein viel besseres Image besaß, durch den Lehrstuhl von Malte Faber, der Fächer wie "Politische Ökonomie" oder "Philosophische Grundlagen von Ökologie und Ökonomie" lehrte und im wahrsten Sinne auf die Probleme aufmerksam machte. Der Mann wurde 2004 emiritiert und mit ihm verschwand dieses Angebot.

Ob sich, experimentelle Wirtschaftsforschung hin oder her, in den nächsten Jahren besonders viel ändern wird, bleibt abzuwarten. An den deutschen Universitäten kann ich die von Plickert beschriebenen Signale der Veränderung so noch nicht erkennen.

Für die Ökonomen meiner und der etwas älteren Generation gelten in erster Linie unumstößliche Gesetze. Etwas hinterfragen können wir nicht oder nur so schwer. Da man den Ökonomen zur Zeit besonders gern vorwirft, die Finanzkrise nicht vorhergesehen zu haben, hat die Volkswirtschaftslehre einen Imageschaden erlitten, dessen Ausmaß wir wohl erst in einiger Zeit werden einschätzen können. Ein Grund dafür ist definitiv der Durchbruch der Neoklassik innerhalb der Disziplin und die entsprechende Ausbildung der Ökonomen in den letzten Jahrzehnten.

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