Sonntag, 21. September 2008

Meinsch, in Texas wähle se en Farbige?

Ich frage mich seit Monaten, wie in Deutschland die Reaktionen auf eine Wahlniederlage des ersten afroamerikanischen Präsidentschaftskandidaten der USA ausfallen würden. "Seht ihr, die Amis sind und bleiben eben doch Rassisten" dürfte dann vielerorts und auch in unseren objektiven Qualitätsmedien zu hören sein.

Denn der nicht-schwarze (d.h. für den Klemmdeutschen in dem Fall: weiße) Durchschnittsami hält die Schwarzen für "faul, gewalttätig und weinerlich", wie uns SPON in seinem obligatorisch antiamerikanischen Wort zum Sonntag wissen läßt:

Faul, gewalttätig und weinerlich - viele Amerikaner hegen Analysen von Meinungsforschern zufolge noch immer tief verwurzelte Vorurteile gegen Schwarze. Der latente Rassismus könnte Barack Obama im Rennen ums Weiße Haus zum Verhängnis werden - denn er findet sich auch unter den eigenen Parteianhängern.

Das stimmt, allerdings finden sich, wie die Umfragen zeigen, diese Vorurteile nicht auch, sondern gerade unter den eigenen Parteianhängern.

(...)Doch es geht im Endspurt um das Weiße Haus nicht nur um harte Fakten und klare Strategien. Über allem schwebt viel subtiler, aber womöglich nicht weniger wahlentscheidend die R-Frage, über die offen viele nicht so recht sprechen wollen: "Race", die Rasse, spielt für die Amerikaner auch 145 Jahre nach der offiziellen Abschaffung der Sklaverei eine wichtige Rolle - wenn es sich auch nicht jeder eingestehen will.

Was kümmert sich der Ami auch um harte Fakten? Und über die R-Frage wird in den US-Medien wie auch in der Bevölkerung laufend diskutiert, aber die Amis halten sich ja bekanntlich für unfehlbar. Nicht jeder Rassist will sich also eingestehen, daß er ein Rassist ist und daß Rassismus die Wahl entscheiden könnte.

(..)40 Prozent aller US-Amerikaner haben demnach nach wie vor tief verwurzelte Vorbehalte gegen Schwarze(..)

Wie die Tiefe der Verwurzelung von Vorurteilen in solchen Umfragen berechnet wird, würde mich interessieren.

Zwar betonen die Meinungsforscher, dass Obamas Hautfarbe nicht der wichtigste Grund für die Skepsis der Demokraten ist. Hier spielen vor allem Zweifel an seiner Kompetenz und Glaubwürdigkeit eine Rolle. Sie weisen aber auch darauf hin, dass die rassistisch begründeten Vorurteile offensichtlich und bedeutend sind. Statistischen Berechnungen zufolge läge die Zustimmungsrate für Obama sechs Prozent höher, wenn diese Vorurteile nicht bestünde

Und um wieviel höher wäre dann die Zustimmungsrate, wenn die Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit und kompetenz nicht bestünden.

Die Umfrage kommt zu dem Ergebnis, dass 20 Prozent aller weißen Amerikaner ihre schwarzen Mitbürger als "gewalttätig" einschätzen. 22 Prozent stimmten dem Attribut "überheblich" zu, 29 Prozent finden sie "weinerlich", 13 Prozent "faul" und 11 Prozent "verantwortungslos". Wurde nach der Zustimmung für positive Eigenschaften gefragt, hätten sich die Befragten deutlich mehr zurückgehalten, heißt es

Das ist zwar traurig und jede rassistische Antwort dieser Umfragen eine zuviel und soll auch hier nicht verharmlost werden. Aber sehr beeindruckend finde ich diese Zahlen gemessen an dem, wie der Artikel begonnen wird, nicht gerade.

Unter den weißen Demokraten machte sich ein Drittel eine negative Einschätzung schwarzer Amerikaner zu eigen. Von diesen erklärten 58 Prozent, sie würden Obama unterstützen.

Sage ich doch (siehe oben)

So ist der Befragte möglicherweise nicht ehrlich, weil er weiß, dass offener Rassismus gesellschaftlich geächtet ist. Andere gestehen sich ihren Rassismus selbst gar nicht erst ein.

Ah, offener Rassismus ist in den USA geächtet? Interessant. Ich bin übrigens immer davon ausgegangen, daß Antisemitismus in Deutschland mindestens so geächtet ist, wie in den USA Rassismus. Trotzdem bekennen sich in den Umfragen hier offen weit mehr als ein Drittel dazu. Hat mit dem Thema nix zu tun, ich weiß, außerdem wird Antisemitismus hier bei Wahlen eh nie eine Rolle spielen, wenn die FDP in Westfalen nicht gerade wieder "israelkritische" Flugblätter verteilt.

Nach der gewonnen Nominierung von Barack Obama war ich mit Bundesbrüdern in einer Kneipe im Nordschwarzwald und hörte einen der Einheimischen an der Theke fragen: "Der gewinnt nie. Meinsch, in Texas wähle se en Farbige?" Mal abgesehen davon, daß texas wohl aus anderen Gruünden tatsächlich kein blue state werden wird: Gibt es zu solchen Vorurteilen auch Umfragen?

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ob die Reaktion denn wirklich so eintönig ausfallen würde bezweifel ich schon. Die Hautfarbe spielt - mit allem Respekt - sogar für die Amerikaner eine untergeordnete Rolle. Warum schreibst du "...SPON in seinem obligatorisch antiamerikanischen Wort zum Sonntag..." wenn diese sich lediglich auf eine wiss. Studie beziehen, jedenfalls ist hier abermals kein Antiamerikanismus zu finden. Oder vermisst du nur ein Lob?! Ein latenter Rassismus bleibt leider existent und nicht jeder Amerikaner ist in der geistigen Position subjektive und objektive Entscheidungsgrundlagen zu besitzen. Das ist doch alles kalter Kaffee.
Der gezogene Faden zum Antisemitismus "hier" ist wieder aufschlussreich, offenbart er doch das übliche Blockkadedenken.
Nur als aktuellstes Beispiel: Mit welcher Vehemenz die Rechte Szene in Köln, nicht nur von militanten Linken sondern auch von Bürgern sowie kollektiv verweigernden Bus- und Taxifahrern, auf massivsten Widerstand gestoßen ist, zeigt doch recht gut das die Gesellschaft in ihrem Inneren intakt ist.
Es ist absolut nicht notwendig ständig einen Keil in das deutsche Selbstverständnis treiben zu müssen - man ist sich der Verantwortung und des Zustands der Nicht-Perfektion durchaus bewusst.

Ich kann auch nichts dafür, dass "hier" Obama sehr viel beliebter ist als McCain. Das hat alles mehr und weniger gute Gründe.

Weisst du eigentlich welcher SPON-Artikel viel besser deine Intension beschreibt? Der heutige Artikel über den russischen Botschafter, der unentwegt mit "Larmoyanz gegen die deutsche Presse" wettert. In dieser larmoyanten Haltung gefällst du dir nicht minder.

Ebensowenig wird es dir durch amerikanische Selbstverliebtheit gelingen, das Image der USA zu drehen.

 
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