Freitag, 19. September 2008

Nationalromantische Geschichtsentsorgung

Gespannt bin ich trotz allem auf den Baader-Meinhof-Komplex. Seit ich das gleichnamige Bewerbungsschreiben des Karrierejournalisten Stefan Aust vor 15 Jahren verschlungen habe, läßt mich das Thema nicht mehr los. Mag sein, daß das auch bei mir als Teenager von der Sehnsucht nach dem Ganz anderen herrührte, dem Bedürfnis, die gesellschaftliche Zwangsjacke abzustreifen, wie Stefan Blankertz vor kurzem meinte.

Gespannt bin ich trotz Heinrich Breloers Zweiteiler Todesspiel von 1997, trotz Volker Schlöndorffs fürchterlichem Schinken Die Stille nach dem Schuss (in dem immerhin Martin Wuttke mitspielt) von 2000 und trotz des furchtbaren Baader mit Frank Giering in der Hauptrolle von 2002.

Jan Schulz-Olaja , der im Unterschied zu mir den Film bereits anschauen durfte, hat im Tagesspiegel zur Filmwerbung des Nationalromantikers Schirrmacher gesagt, was zu sagen ist, und bestätigt meine Vorahnung.

Der Baader-Meinhof-Komplex dürfte jedenfalls die letzte filmische RAF-Inszenierung sein. Und gleichzeitig der Spielfilm, der dafür defintiv Sorge tragen wird, dass meine Generation und insbesondere die noch Jüngeren dieses Thema nie werden richtig einordnen können.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Vielleicht erinnerst du dich, Mark:

Stefan Aust hat sich blenden lassen, die Kontrolle verloren, und die Maßstäbe eines liberalen Journalismus konnten ihm nicht helfen, sie wiederzugewinnen. "All the news" - das sind beileibe nicht alle, aber alle Namen, Daten und wörtlichen Zitate, "quotes" genannt. Aust kennt sie und läßt uns das wissen: wer zu wem und wann in welchem Auto mit welchem falschen Nummernschild was wie gesagt hat. Aber wenn Andreas Baader vor dem Stammheimer Gericht eine Erklärung abgibt, in der er das verzweifelte Ringen der Staatsorgane um Legitimität analysiert, findet sich dies unter der Überschrift "Baader versucht, sich verständlich zu machen" und wird eingeleitet mit dem Satz: "Er verlas ein Papier, das an Unverständlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ." Was Baader sagte, ist tatsächlich nicht ganz leicht zu verstehen, aber erstens wollte er damit bei den bürgerlichen Zitatjägern auf der Pressebank vielleicht gar nicht mehr ankommen (ja, solche Sektierer gibt's), und zweitens liegt es auch ein bißchen daran, daß Aust oder der Korrektor ein Komma hineingeschmuggelt hat, das aus "der Reife der Entwicklung" die Aufzählung "der Reife, der Entwicklung" macht. Im übrigen, Stefan, wir sind hier unter uns, fast unter Ausschluß der Öffentlichkeit: Ich fürchte, daß dir auch der 18. Brumaire an Unverständlichkeit nichts zu wünschen übrig ließe, weshalb aus dem Verfasser zurecht nichts geworden ist.

Hermann L. Gremliza, "Der Deo- Seidenhemd-Komplex", konkret 1/86)

hehe...

Beste Grüße!

Anonym hat gesagt…

Kann man das Aust'sche Lebensdrama auch nach so vielen Jahren noch derart spannend finden?
OK.

Mark P. Haverkamp hat gesagt…

@hegelxx
Freilich erinnere ich mich. Und das erinnert mich übrigens gerade wieder an eine Bringschuld von mir.

@bruce wayne
yep. Ich interessiere mich halt vor allem für Gudrun Ensslin. hegelxx wird sich denken können, warum. Das Interview mit Johanna Wokalek in der heutigen FAZ hat mich noch mehr angespannt.

 
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