„Den Kopf ihm ab! Ich schwöre bei Sankt Paul, ich will nicht speisen, bis ich den gesehen.-Sorgt, dass es geschieht;-Und wer mich liebt, steh auf und folge mir!“ spricht Richard III vor dem unglücklichen Hastings, der noch bis zum letzten Moment an jenen fest glaubte, ihm Liebe und uneingeschränkte Loyalität bewies. Die Hauptfigur zieht jeden in ihren Bann.
Wohl wenige Stücke sind so sehr von ihrem Helden bestimmt wie William Shakespeares Richard III. Christian Stückl nun ist mit seiner Inszenierung am Münchener Volkstheater ein vortrefflicher Schachzug gelungen, da Richard III in Nico Holonics einen brillanten Darsteller findet, der die Vorführung mit Energie auflädt.
Nach kriegerischen Auseinandersetzungen erlebt York einen Sommer des Glücks. Eduard IV ist König und es herrscht Frieden. Doch sein Bruder Richard, Herzog von Glocester, will König werden. Um dieses Ziel zu erreichen, muss er mehrere Familienmitglieder aus dem Wege räumen. Seine beiden Brüder Georg, Herzog von Clarence, König Eduard IV. und dessen beide Kinder York und Eduard sind die ersten Opfer.
Nico Holonics verkörpert Bösartigkeit, Rationalität und Hinterlist, aber auch Hilflosigkeit im Verlust der errungenen Macht mit einer Stärke, die dem Zuschauer den Atem raubt. Es ist das Schizoide des Bösewichts, der in seiner Verlogenheit so sympathisch wirkt, anzieht und blendet, für das der Schauspieler Holonics ein seltenes Gespür besitzt. Ob Richard an seiner Zigarette zieht oder die Mütze des Kardinals wegkickt, ob er der Familie seine Liebe vorspielt oder seinen Ekel darüber offen zeigt- in jeder Regung sind der innere Abgrund, die Verachtung für die Umgebung und die Überschätzung der eigenen Person lebendig.
Stückl hat mit dem Bühnenbildner Alu Walter zusammengearbeitet, der gleichzeitig König Eduard spielt. Die Bühne ist zweigeteilt. Der vordere Teil ist düster, karg und kerkerhaft. Schon der obere Gang macht die Bühne bei geschlossener Zwischentür zum Verließ. Dahinter wechselt das Bühnenbild. Zu Beginn bricht grelles Licht hindurch und erzeugt eine heitere Stimmung. Hochgewachsenes Gras. In der Mitte hängt eine Schaukel herab, die das jeweilige Bild verstärkt. Zu Beginn schaukelt freudig ein Kind. Nachdem Richard die Macht erlangt hat, ist hinter der Schaukel, auf welcher Richard lustlos mit Anna schwingt, eine spiegelnde und unheimlich leuchtende, düstere Wand zu sehen. Die Anzüge der Männer wirken so zeitlos, wie das Böse und das Schmierige daran zeitlos sind.
Wenn Richards Gefolgsmann Catesby nach dem Tod von Lord Hastings das „Hirn des größten Verräters“ serviert, angereichert mit Lavendelmousse und Vinaigrette, mögen manche dies für eine Befindlichkeit des Intendanten, ein übertreibendes Experiment halten. Bei der hier aber bereits gesteigerten Gefühlslage des Zuschauers wirkt die Szene ganz und gar nicht abseitig. Das Zusammenspiel mit dem Kardinal treibt den Irrsinn der Machtgier hier gekonnt auf die Spitze. Ein dunkles Rot schimmert von der Tischdecke und den Wänden her durch den Raum. Die Atmosphäre ist mörderisch.
Thomas Kylau spielt einen gebrechlichen Kardinal Ely Morton, der gegen Richard aus Schwäche nachgibt. Dagegen wirkt Xenia Tiling als Anna etwas holprig. Die Verführbare lebt sie zwar zunächst packend, aber im zweiten Teil bleibt sie von den anderen Figuren etwas abgeschnitten.
Catesby, gespielt von Justin Mühlenhardt, bewegt sich als ordinärer Schuft durch die Inszenierung, dessen Gleichgültigkeit gegenüber den Anfechtungen der Finsternis er ganz am Anfang schon hervorragend in Szene setzt, als er lässig eine Banane kaut. Ein Schock ereilt den Zuschauer gegen Ende des Schauspiels. Unerwartet küsst Catesby aus Enttäuschung Richard auf den Mund. Kurz darauf ersticht er ihn von hinten. Mit diesen Szenen rundet Stückl seine Interpretation des Bösen meisterhaft ab.