Samstag, 8. März 2008

Unterwegs mit Schmidtschnauze





Gerüchten zufolge besteht Helmut Schmidt auf Lufthansa-Flügen seit seinem Amtsende 1982 darauf, von der Flugbegleitung mit "Herr Altbundeskanzler" angesprochen zu werden.


Frau Maischberger würde ihn sicher gerne so anreden, sie, die schon so viele Interviews mit ihm geführt hat, daß Bücher draus wurden, zumeist sagt sie aber "Herr Schmidt" und wundert sich darüber, daß er mit vertrauten Uralt-Kollegen "per Sie" geblieben ist.

Am vergangenen Montag sendete 3sat eine Dokumentation, auf die Matthias Düsi hier bereits hinwies, mit dem Titel "Helmut Schmidt außer Dienst" von Maischberger und ihrem Mann Jan Kerhart. Was treibt der Tappergreis privat, wie sieht es bei ihm zuhause aus, wo es doch ungeheuer stinken muß, raucht Locki doch genauso viel wie er. Einen "intimen Einblick" will die Doku gewähren, einen Einblick in seinen Lebensabend, der aus Bücherschreiben, Klavierklimpern, Besuchsempfängen und vor allem Vortragsreisen besteht. So hat Frau Maischberger ihn denn auch begleitet, vor allem im Herbst 2003, auf Reisen nach Peking, nach New York und Washington D.C.. Ja, der damals 85-jährige fliegt noch in die Vereinigten Staaten und plauscht mit US-Senatoren wie Chuck Hagel, um schließlich in NY auf Wolfgang Schäuble und den UN-Botschafter der Bundesrepublik zu treffen. Schäuble empfängt ihn ehrfürchtig und sieht den alten Staatsmann bei seinem Dialog so angespannt und konzentriert an, als redete hier ein Meßdiener mit dem Papst. Wo er doch gleich von Schmidt bestätigt bekommt, wie er auch ein "Vollblut-Politiker" zu sein


Und schon ist Oberstleutnant a.D. Schmidt bei einem seiner Themen. "Ja, das hat mich in den letzten Monaten am meisten geärgert, daß in diesem Lande....aber auch in Europa Menschen über Krieg und Frieden entscheiden, die vom Krieg überhaupt keine Ahnung haben"....kurze Pause....Schäuble ganz vorsichtig: "Meiner Meinung ein ganz zentraler Unterschied zwischen Europäern und Amerikanern. Die Amerikaner wissen nicht, was Krieg ist"..woraufhin von Schmidt nur noch ein müdes "Ja" kommt (man kann sich das heftige Nicken und Brummen vor allem der älteren Zuschauer gerade lebhaft vorstellen, vom Zischen der jüngeren ganz zu schweigen). Bei den Vereinten Nationen wird der Altmeister unterrichtet: "Die Amerikaner haben natürlich dagegen gestimmt, die EU war wie immer geteilt...ja, schauen sie sich den Haufen an, China stimmt dafür, die EU ist geteilt, die Amerikaner stimmen dagegen, was wollen Sie da noch machen." Das liege daran, erklärt Schmidt geradezu hämisch, daß es auf beiden Seiten an Staatsmännern fehle.

Zuhause in Hamburg sitzt er (ebenso 2003) mit dem finsteren Altmeister der Realpolitik, Henry Kissinger, am Tisch und drückt ihm seinen Zorn über die Arroganz des damaligen US-amerikanischen Verteidigungsministers Donald Rumsfeld gegenüber den Europäern aus. Locki nickt daber dauerhaft. Sie verabschiedet sich schließlich herzhaft von Henry: "Don´t forget us."


Zum Alltag von Schmidt gehört aber auch seine Arbeit bei der ZEIT, deren Mitherausgeber er seit langem ist. Man sieht ihn auf einer Redaktionskonferenz sitzen, wo gerade das heiße Thema "Martin Hohmann" erörtert wird. Von der offen zur Schau getragenen Blödheit der Redakteure mal abgesehen: Ich war wirklich sprachlos, als ich sah, wie Schmidt gleich zu Beginn seiner Stellungnahme, die freilich als der weise Ratschlag am Schluß erfolgte, die antisemitische Suada des hessischen Abgeordneten und die Reaktionen darauf in Verbindung zur israelischen Außen- und Sicherheitspolitik brachte: "Daß dieser Zaun, der da jetzt gebaut wird, daß der ausschließlich auf palästinensischem Gebiet steht, das hat viele Leute geärgert, mich hat es auch geärgert." Antisemitismus sei in Deutschland marginal, und dieser General Günzel auch nur ein "Primitivgehirn". "Macht daraus keine großangelegte Kampagne der ZEIT."

Vor seinen ZEIT-Kollegen Josef Joffe und Michael Naumann darf er auf einem Podest im Thalia Theater wieder den coolen elder statesman geben. Ob er, der Kanzler von Terrorismus und NATO-Doppelbeschluß, wirklich ein Sozi sei? Ja!!! Nicht er habe der falschen Partei angehört, wie viele Konservative immer wieder meinten, vielmehr habe seine Partei eben einfach oft falsch gelegen. Großes Gelächer im Publikum. Derweil darf der König der Zulu-Metaphern, Theo Sommer, unterstreichen, welche Bedeutung er für das Oberstudienratsblatt über mehrere Jahrzehnte behalten hat. Und daß ihn ja heute 80% der Deutschen zum Kanzler wählen würden.

Von der "Scheiße des Krieges" redet Schmidt, der in der Wehrmacht nur einem einzigen Nazi begegnet sein will, in den letzten Jahren in jedem Interview. Das war nicht immer so. Begonnen darüber zu reden hat er erst, als Breschnew ihn 1978 provoziert hatte. Wer wollte es ihm verdenken? In die Debatten der letzten Jahre passen seine Stellungnahmen jedenfalls gut.

Auch ich wurde ein bißchen wehmütig, als ich den Schüler Sir Karl Raymund Poppers mit seiner Prinz-Heinrich-Mütze durch Peking wackeln sah. Darauf zielt die Dokumentation. Auf die Sehnsucht nach alten Autoritäten. Die Deutschen, die mit Figuren wie Kurt Beck gestraft sind, sollen von der Willensstärke und Gefühlskälte dieses Mannes begeistert bleiben. Denn in Deutschland ist die Zeit politischer Persönlichkeiten erstmal vorbei.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

So ungefähr.

das hier wollte ich dir aber noch zeigen:
http://www.jogmap.de/

Grüße

 
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