Um es vorweg zu sagen: Die Veranstaltung war bei weitem nicht so schlecht wie ich befürchtet hatte. Wenn ich den Schlußpunkt mal außen vor lasse, haben mich die Grünen gestern Abend dann doch positiv überrascht.
Aber fangen wir von vorne an. Worum geht es? Gerhard Schick und der AK SchwuLes Grün hatten am Vorabend des Christopher Street Day in Mannheim, der dieses Jahr unter dem Motto "Brücken bauen" stattfindet zur Veranstaltung "Homosexualität und Islam - Vorurteile abbauen - Brücken bauen" eingeladen. Nachdem der AK SchwuLes Grün Anfang Juni in der Alten Feuerwache bereits ein Podiumsgespräch zum Thema "Homophobie im Sport" über die Bühne brachte, das die Problematik zwar in sehr rosigem Licht erscheinen ließ, aber von den Beteiligten doch ganz gut zusammengefasst wurde, war ich auf das gestrige Event nun wirklich gespannt: In welche Richtung würden die Grünen denn da argumentieren?
Kabarett auf dem Neckar
Großes Kino: es geht aufs Neckarschiffchen ins Müllers. Das zum großen Teil schwul-lesbische Publikum macht es sich mit Weizenbier und weiteren summer drinks an den Seiten gemütlich. In der Mitte werden sämtliche Reihen Plastikstühle bis Showbegin auch noch vollbesetzt.
Die lesbische Kabarettistin mit "türkischem Hintergrund" Serpil Pak rockt mit ihrem Programm mehr als die Hälfte der Veranstaltung. Mit Witzchen über ihren eigenen Namen und einigen weiteren öden Stories aus den Kreuzberger Verhältnissen versucht sie sich an der Tabuzertrümmerung. Zuächst voll verschleiert und den Schleier trägt sie "nicht aus Konfessions- sondern aus Konfektionsgründen." Und in Kreuzberg verschleiert sie sich eben auch mal mit Baseballkäppchen. Streckenweise wird sie aber wirklich ganz lustig. Ihre Lesbenverarsche beispielsweise trifft. Mit ihrer Mimik, die fast über die ganze Zeit ins Leere läuft, könnte sie aber weit mehr. Gegen Ende steht sie in einem schwarzen T-Shirt da, auf dem der Spruch "Fick mich nicht ins Ohr" gedruckt steht. "Im Türkischen ist Ficken ein Wort wie Brot." Wo einem im Deutschen was auf den Zeiger geht, fickt es einen im Türkischen in die Nase. Da ist sie mal nahe dran, wirklich Brücken zu bauen, scheitert aber auch damit. Die Brücken bleiben unfertig.
Die politische Komponente nicht vergessen
An die Nummer schließt sich das Podiumsgespräch an. Mit Schick, Serpil Pak und dem Heidelberger Bürgermeister für Integration und Chancengleichheit Wolfgang Erichson. Letzterem begegnen in der muslimischen Community viel weniger Vorurteile und Anfeindungen als außerhalb. Das Heidelberger Bürgertum - Erichson spricht vom "Bildungsbürgertum" - ist nach wie vor ein viel größeres Problem, das basht er als das eigentlich homophobe. In der Moschee begegnen ihm Offenheit und Toleranz, in der katholischen Kirche dagegen war es eine ungeheuerliche Provokation, als er mit seinem Mann nach vorne lief.
Das versteht Gerhard Schick natürlich sofort und stellt klar: Katholische Kirche und Islam tun sich in Sachen Homophobie natürlich nichts. "Aber" er habe doch so den Eindruck, daß das, was die katholische Kirche sage, für die meisten nicht mehr das Problem darstelle, da "das eben wirklich völlig neben der Kappe" sei, was die Kirche so sage. Für viele Homosexuelle in dieser Gesellschaft "mit Migrationshintergrund" (genannt werden mehrfach Türken, Araber, Russlanddeutsche) sei das Coming-Out viel schwieriger als für Jugendliche aus christlich geprägten Familien. Schick, den ich übrigens durchaus für einen talentierten Politiker halte, macht den gesamten Abend über den völlig Naiven. "Irgendwo" habe er mal gelesen, daß bei den Ehrenmorden (hoppla!), die es tatsächlich gebe, auch Schwul-Sein eine Rolle spiele. Wie gehen wir damit um, fragt Schick sich, das sei "eine wirklich karte Frage für uns in der Politik." Den Punkt müsse man eben aus der Tabuzone holen, antwortet Erichson.
Alle drei leben in einer Welt, in der es zwar Trauriges gibt, aber die Probleme von ihrer Lösung nicht weit entfernt sind, wenn man sie nur intensiv genug angeht. Es ist eine Welt, in der man, wie Schick zu Beginn der Veranstaltung vorgibt, "die politische Komponente des CSD nicht vergessen darf" (welch ein Hohn!), aber sonst mit dem Feiern nicht aufzuhören braucht. "Du schwule Sau" ist auf den Schulhöfen das meistbenutzte Schimpfwort, wirft Erichson ein. Kindern aus archaischen Familien müsse man halt einfach eine schwule Respektsperson vorsetzen. Dann kämen die schon ins Denken. Keine Frisöre, sondern Anwälte und Wirtschaftsmanager. Er gehe als schwuler Bürgermeister ja auch in die Schulen und da staunten die nicht schlecht und fingen zu fragen an: Du dürftest doch eigentlich gar nicht..
Erichson erzählt die Geschichte von einem schwulen Studenten aus Saudi-Arabien, der im Studium nicht vorankam und von der Abschiebung bedroht war. Seinem Anwalt legte man nahe, ihn auf seine Homosexualität anzusprechen, da Kern des Problems offenbar sei, daß er damit nicht offen umging. Es erwies sich tatsächlich als das Richtige, und innerhalb von zwei Jahren legte der Student 18 fehlende Scheine mit "sehr gut" nach.
Auf die Frage aus dem Publikum, wie man den potenziell Betroffene erreichen könne, läuft Erichson wirklich zur Hochform auf: wir tabuisierten mit Rücksicht auf "kulturelle Vielfalt" viel mehr, als es eben in den entsprechenden Kulturkreisen selbst tabuisiert werde. Und gerade auch bei den Grünen zeige man sich immer so furchtbar politically correct. Man müsse immer die Probleme beim Namen nennen und die vorhandenen Strukturen nutzen. Indeed!
Aber bei diesem Höhepunkt bleibt es und bald schon folgt der traurige Schluß. Vom Islam will man eigentlich nichts wissen. Letztlich geht alles eben doch. Zwar warnt niemand eindringlich vor "Islamophobie" -das Wort fällt erstaunlicherweise kein einziges Mal, aber es versucht auch niemand nur annähernd eben den "archaischen" Strukturen auf den Grund zu gehen. Von den Hinrichtungen im Iran erfährt man freilich nichts. Natürlich referiert Schick auch nicht über katholische Ehrenmorde, die es in seiner Logik ja geben müsste. Aus dem Publikum aber kommt eine Bemerkung: Dieser Student aus Saudi-Arabien - die Abschiebung wäre sein Todesurteil gewesen, weil keine Chance. Darauf Schick wörtlich: "Äh..ja, dann schließe ich die Veranstaltung an der Stelle. Denn es gibt heute abend auch noch einige Partys, auf die einige wollen und wir können hier ja auch noch weiter trinken und uns unterhalten."
So kenne ich diese Partei. In diesem Sinne, mein lieber AK SchwuLes Grün: Party on!
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